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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen
Autoren: Jonathan Swift
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Gullivers zu der Zeit, von der wir sprechen, skizzirt wurden, obgleich sie von der Politik einer spätern Periode handeln.
    Swift verließ im Jahre 1720 seine Beschäftigungen und Unterhaltungen, um wieder auf der politischen Bühne zu erscheinen, zwar nicht mehr als Sachwalter und Lobredner eines Ministeriums, aber als der unerschrockene und beharrliche Vertheidiger eines unterdrückten Volkes. Keine Nation hat jemals so sehr eines solchen Vertheidigers bedurft. Der Wohlstand, dessen sich Irland unter den Königen aus dem Hause Stuart erfreut hatte, war durch einen Bürgerkrieg unterbrochen worden, dessen Ausgang den Kern seines Adels und seines Heeres genöthigt hatte, sich aus dem Lande zu entfernen. Die katholische Bevölkerung dieses Königreichs erweckte nur Mißtrauen, und wurde dadurch zur Führung ihrer eigenen Sache untüchtig.
    Das englische Parlament hatte sich die Gewalt angemaßt, Irland Gesetze zu geben; und es benutzte diese Gewalt dazu, den Handel dieses Königreichs so sehr als möglich in Fesseln zu legen, dem Handel Englands unterzuordnen und ihn in dieser Abhängigkeit zu erhalten. Die Gesetze des zehnten und elften Jahres der Regierung Wilhelm III. verboten die Ausfuhr der Wollwaaren, außer nach England und in das Fürstenthum Wales. Die irländischen Fabriken wurden dadurch eines Einkommens beraubt, das man auf eine Million Pfund Sterling schätzte.

    Nicht eine Stimme erhob sich in der Kammer der Gemeinen gegen diese eben so unpolitischen, als tyrannischen Maßregeln, die eher eine Korporation kleinstädtischer Krämer, als des aufgeklärten Senats eines freien Volkes würdig waren. Nach diesen Grundsätzen handelnd, häufte man Ungerechtigkeit auf Ungerechtigkeit und man fügte den Hohn hinzu, mit dem Vortheil für die Angreifenden, daß sie das unterdrückte Volk Irlands einschüchtern und zum Schweigen bringen konnten, indem sie es als Rebellen und Jakobiren verschrieen! Swift sah diese Uebelstände mit dem ganzen Unwillen eines Charakters an, der von Natur zum Widerstand gegen die Tyrannei geneigt ist. Er veröffentlichte die »Briefe des Tuchhändlers« voll gewichtiger Gründe, blitzend von Geist und besonders durch die Gewandtheit ausgezeichnet, mit welcher die Beweisgründe dargestellt und die Pfeile gerichtet wurden.
    Swifts Popularität war die aller jener Männer, welche in einer entscheidenden kritischen Periode das Glück gehabt haben, ihrem Vaterlande einen großen Dienst zu leisten. So lange er sein Haus noch verlassen konnte, begleiteten ihn die Segenswünsche des Volkes; wenn er in eine Stadt kam, erfreute er sich einer Aufnahme, wie sie sonst nur einem Fürsten zu Theil wird. Bei der ersten Nachricht von einer Gefahr, die dem Dechant (so nannte man ihn gewöhnlich) drohte, lief das ganze Land zu seiner Vertheidigung herbei. Walpole hatte dann gedroht, Swift festnehmen zu lassen; ein kluger Freund fragte ihn, ob er zehntausend Soldaten habe, um den Beamten begleiten zu lassen, der damit beauftragt sey, diesen Befehl zu vollziehen.
    Swifts Schwächen, obgleich von der Art, die Böswilligkeit des Pöbels zu reizen, wurden mit der frommen Achtung kindlicher Liebe beurtheilt. Alle Vicekönige von Irland, von dem leutseligen Cartenet an bis zu dem hochmüthigen Dorset , die weder seine Politik noch auch seine Person liebten, sahen sich genöthigt, seinen Einfluß zu achten und mit seinem Eifer zu kapituliren. Ueber die Abnahme seiner geistigen Fähigkeiten trauerte Irland; der Schmerz eines Volkes begleitete ihn in's Grab, und beinahe alle irische Schriftsteller haben dem Andenken Swifts jenen Tribut der Dankbarkeit abgetragen, der ihm mit so vollem Rechte gebührt.
III.
    Gullivers Reisen erschienen nach der Rückkehr Swifts nach Irland, aber mit jener Heimlichkeit, in die er beinahe immer die Veröffentlichung seiner Werke hüllte. Er hatte England im Monat August verlassen; und um dieselbe Zeit erhielt der Buchhändler das Manuscript, das ihm, wie er sagte, von einem Fiaker in den Laden geworfen wurde.
    Gulliver wurde im nächsten Monat November veröffentlicht, mit Veränderungen und Auslassungen, die der Buchdrucker aus Aengstlichkeit darin anbrachte. Swift beklagte sich darüber in seinem Briefwechsel und ergänzte dieselben durch einen Brief Gullivers an seinen Vetter Sympson , der an die Spitze der folgenden Ausgaben gesetzt wurde. Aber das Publikum sah nichts Allzuängstliches in diesem ungewöhnlichen allegorischen Roman, der allgemeines Aufsehen machte und von allen
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