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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
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um sich zu erkundigen, ob er für die kleine Gesellschaft noch etwas tun könne.
    »Du könntest uns noch etwas Nasses kredenzen, Onkel Herbert«, schlug Jürgen vor, »die Mädchen haben uns alles weggetrunken.«
    »Wir wollen gern noch ein Weilchen am Leben bleiben«, erklärte Hiltrud Seinsheim, die schließlich die Heimfahrt in Manfred Zöllners reichlich überaltertem Modell vor sich hatte.
    Er genehmigte ihnen noch eine Flasche Sekt und streifte Manuela mit einem flüchtigen Blick, aber sie drehte nicht einmal den Kopf, als die anderen ihn begrüßten, sondern kuschelte sich an Jürgens Schulter und summte den Text des Songs >Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abspülen< mit halbgeschlossenen Augen mit. In ihrer Haltung war etwas, was ihn plötzlich daran zweifeln ließ, daß sie noch ein unbeschriebenes Blatt sei, und es durchfuhr ihn wie ein leiser Stich, als er am Ohr seines Neffen Spuren von Manuelas Lippenstift entdeckte. Dieses kleine Biest, dachte er ernüchtert und fast erheitert darüber, daß er wahrhaftig geglaubt hatte, eine Eroberung gemacht zu haben. Er ging in die Küche — das Hausmädchen hatte ihren freien Tag — und holte aus der Tiefe des Eisschrankes eine der beiden Flaschen hervor, die er dort für alle Fälle bereitgestellt hatte. Er wurde mit Hallo begrüßt. Hiltrud Seinsheim schlug vor, ihn hochleben zu lassen, und Guntram hob ihnen lachend sein Glas entgegen. Manuela leerte ihren Kelch in einem Zuge, ohne sich um den Trinkspruch zu bekümmern. Sie hob die Hand vor den Mund, als müsse sie ein Gähnen verbergen, und streckte, nachdem sie ihr Glas abgestellt hatte, Jürgen Barwasser die Arme entgegen.
    »Hilf mir mal auf die Beine!«
    Jürgen zog sie so schwungvoll empor, daß sie das Gleichgewicht verlor und für einen Moment gegen seine Brust fiel.
    »Es war wirklich ein netter Abend... Wo sehen wir uns das nächstemal wieder?«
    »Bei mir«, rief Gerd Schickedanz, »und mein Fräulein Mutti wird euch ein Schaschlik vorsetzen, das sich Erlaucht tituliert.«
    Manuela band sich den duftigen, zartblauen Chiffonschal um den Kopf. Guntram beobachtete sie dabei. Weiß der Teufel, dachte er, diese kleinen Biester brauchen dazu nicht einmal den Spiegel. Sie zupfen einen Haarbüschel in die Stirn, machen unter dem Kinn einen Knoten, lassen die Enden flattern und wissen genau, daß sie zum Anbeißen hübsch aussehen!
    Er ging diskret voraus, denn er nahm an, die Abschiedsszene zwischen Jürgen und Fräulein Mellin würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Ohne Zweifel hatte Jürgen Barwasser auf einen zärtlichen Abschied von Manuela gehofft, aber sie entzog sich dem Arm, den er um ihre Hüften zu legen versuchte, mit einer halben, absichtslos wirkenden Drehung und versetzte ihm einen freundschaftlichen, aber nicht gerade damenhaften Schulterschlag: »Ciao, Barwasser junior, und wisch dir den Lippenstift aus dem Gesicht. Es sieht aus, als hätte ich dich beim Tanzen ins Ohr gebissen. Na so was! Und laß dich ein paar Tage lang nicht sehen, ich habe nämlich allerhand zu tun.«
    Sie wirbelte ihn herum und befand sich, ehe er dazu kam, etwas zu sagen, bereits mitten unter den anderen Paaren auf der Terrasse: »Komm, Helma, lassen wir die Herren vorn sitzen. Ich habe dir noch etwas zu erzählen.« Sie kletterte neben Helma Bode auf den Notsitz und überließ Klaus Adami das Lederpolster neben Herrn Guntram.
    Der junge Mann schnalzte, während Guntram anfuhr, anerkennend mit der Zunge: »Eine fabelhafte Kiste, die Sie fahren, Herr Guntram. Papas Traum...«
    »Wenn Sie sich als Jurist dranhalten — mehr Jura und weniger Posaune —, dann steht der Erfüllung dieses Traumes nichts im Wege. Wie sagt doch Goethe? Was in der Jugend man wünscht, hat man im Alter die Fülle. Na also!«
    »Das sind die Sprüche, mit denen man in der Penne gefüttert wird. Aber ich trau Goethe nicht. Denken Sie einmal an seine Karlsbader Erlebnisse. Was er sich da mit vierundachtzig von dem guten Ulrikchen wünschte, kriegte er nicht — aber mit zwanzig in Sesenheim, da bekam er doch weiß Gott alles in Hülle und Fülle, na?«
    »Ihr seid eine verflucht respektlose Bande...«
    »Sind wir. Aber waren Sie mit zwanzig etwa anders?«
    »Wahrhaftig nicht.«
    »Sie sind ja auch heute noch topfit, Herr Guntram.«
    »Danke für das Kompliment. Die Zigaretten liegen im Hand s chuhf ach.«
    »Ich hab's ganz umsonst gemacht. Aber wenn ich mir eine ins Gesicht stecken darf...« Er zündete sich die Zigarette an der
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