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Grayday

Grayday

Titel: Grayday
Autoren: Hari Kunzru
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zwischen SQL und HTML kenne ich nicht. Und er interessiert mich auch nicht. Für mich sind das alles bloß Buchstaben. Was mich interessiert, sind Arsche, gute, anständig qualifizierte Inderärsche, die auf guten, amerikanischen Bürostühlen sitzen und gute Beraterdollars verdienen, für Databodies und für mich. Verstanden?«
    »Absolut«, murmelte Arjun. Sunny Srinivasan kam ihm jede Minute eindrucksvoller vor.
    Sunny lehnte sich auf seinem eigenen Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Also, ich werde Folgendes tun«, sagte er, als verkünde er nun ein Ergebnis langer Überlegungen. »Ich nehme Ihre Bewerbung an, lasse Sie von meinen Leuten auf Herz und Nieren prüfen, und wenn Sie die Wahrheit gesagt haben, werde ich Sie nach Amerika schicken und dafür sorgen, dass Sie reich werden.«
    Arjun konnte sein Glück nicht fassen. »Einfach so?«
    »Einfach so, Arjun. Wenn Sie erst einmal ein Databodies-IT-Berater sind, kommt Bewegung in ihr Leben. Dann können Sie der werden, von dem Sie immer schon geträumt haben. Das ist unser Auftrag, Arjun. Leuten zu helfen, dass sie ihre Träume wahr machen. Dafür setzen wir uns ein.«
    »Und Sie können mir einen Job in Amerika garantieren?«
    »Mann, gute Programmierer wie Sie sind da drüben wie Goldstaub. Jeder weiß, dass amerikanische Collegestudenten nur an Cannabis und Skateboards interessiert sind, stimmt’s? Überlassen Sie mir das Ganze. Falls Sie die Wahrheit gesagt haben, fangen Sie an, Dollars zu scheffeln, sobald wir Sie in einem Flugzeug haben.«
    Arjun konnte seine Dankbarkeit kaum im Zaum halten. Er langte über den Schreibtisch und drückte Srinivasan die Hand. »Danke, Sir! Vielen Dank! Haben Sie einen schönen Tag!«
    »Nein, ich danke Ihnen, Arjun. Schön, Sie an Bord zu haben.«

    Mehrere tausend Meilen entfernt, in einem malerischen, aber zugänglichen Teil des Wildparks Masai Mara, klammerte sich Indiens Dreamgirl an den Rand des Korbes, als sie spürte, wie der Ballon den Kontakt mit dem Boden verlor. Der Propanbrenner donnerte, während der Pilot, wie vom Regisseur angewiesen, sich zu ihren Füßen zusammenkauerte, um nicht ins Bild zu kommen. Es gab einen grässlichen Ruck, der Wind wehte ihr das Haar übers Gesicht, und sie versuchte weiter, die runde Glasscheibe des Kameraobjektivs anzulächeln, das nun fünfzehn, zwanzig, dreißig Meter unter ihr zurückblieb. Bald waren die Crew und ihr ganzes Durcheinander an Lampen und Kabeln verschwunden, nur ein zusätzlicher dunkler Fleck in der Savanne. Erst als sie nicht mehr lächeln musste, lockerten sich ihre Gesichtsmuskeln, und sie bat um einen Schluck Wasser.

    Arjun Mehta trat auf den Janpath hinaus und grinste die Fahrer an, die gegen ihre Wagen am Taxistand lehnten. Amrika! Seinen Traum leben! Deutlicher als andere Erinnerungen an das Treffen, Sunnys Sonnenbrille inklusive, war ihm dieser Ausdruck in seinem Gedächtnis haften geblieben. Sein gegenwärtiger Tagtraum fand in einem Einkaufszentrum, einer Höhle aus schimmerndem Glas, statt, durch das die nah-zukünftige Version seiner selbst im Eiltempo eine breite schwarze Rolltreppe hinauffuhr. In einem Button-down-Hemd und einer Baseballmütze, auf deren Schild das Logo einer größeren Softwarefirma gestickt war, hielt der Zukunfts-Arjun Händchen mit einer jungen Frau, die Kajol, seinem gegenwärtigen Filmschwarm, nicht unähnlich sah. Während Kajol ihn anlächelte, übertrugen die Miniaturkopfhörer in seinen Ohren noch ein beschwingtes Liebeslied aus dem unerschöpflichen Fundus neuer Musik, der in dem winzigen MP3-Player an seinem Gürtel gespeichert war.
    Als der Bus über die Yamuna-Brücke tuckerte, vorbei an dem riesigen Uferslum, der seine Abwässer in den Fluss entlässt, spielte er mehrere Variationen seines Traums durch, indem er Einzelheiten der Kleidung und Örtlichkeit, der Firma und des Soundtracks ein bisschen aufmotzte. Das Dröhnen des Verkehrs trat in den Hintergrund. In seine innere Spezialabteilung vertieft, starrte er blicklos aus dem Fenster und registrierte kaum die niedrigen, aus Stroh und blauen Plastiksäcken zusammengestoppelten Dächer am Straßenrand und die zerlumpten Kinder unter dem Gewirr illegaler Stromleitungen, die dem Verkehrsstrom zusahen. Hoch am Himmel über ihm hing der Kondensstreifen eines Jets, der auf dem Weg nach Singapur den indischen Luftraum kreuzte. In der ersten Klasse saß ein Reisender, um einiges bequemer als Arjun, der gegen die feuchte Schulter eines Mannes in
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