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Grappa und die Toten vom See

Grappa und die Toten vom See

Titel: Grappa und die Toten vom See
Autoren: G Wollenhaupt
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Etwas war in den Boden eingesickert. Wayne stand schon neben mir.
    »Blut«, meinte er und betätigte den Auslöser. »Hier haben die Mörder den Radfahrer erledigt. Arme Socke! Da fährst du mit dem Mountainbike durch einen Wald, denkst an nichts Böses und plötzlich wirst du einfach so abgeknallt.«
    »Lass uns abhauen«, flüsterte ich. »Wir stehen hier wie auf dem Präsentierteller.«
    Zurück im Hotel schauten wir auf die Homepage des Bierstädter Tageblattes. Mein Artikel prangte auf der ersten Seite. Einige Leserinnen und Leser hatten Kommentare hinterlassen. Von tiefer Betroffenheit bis zu hanebüchenen Mutmaßungen – alles war dabei. Der Mord an fünf Menschen ließ die Fantasie der Leser aprilfrische Farben spucken.
    Chefredakteur Schnack erfreute mich mit einer Mail: Gut gemacht, Frau Kollegin. Erwarte weiteren Bericht in Bälde.
    Den sollte er bekommen.
    Ich brannte darauf, mit Kleist zu reden. Doch er hatte sein Handy abgestellt. Wahrscheinlich war er noch in Begleitung der italienischen Kollegen und konnte sowieso nicht offen sprechen.
    »Ich hab Hunger«, klagte Wayne. Wir saßen in der Bar des Hotels, die nachmittags Kaffee und Kuchen anbot.
    »Nimm dir doch ein Stück Streuselkuchen«, riet ich. »Der sieht so schön deutsch aus.«
    »Nein danke. Ich will keine Staublunge bekommen.«
    Ein Mann trat zum Kuchenbuffet. Jetzt erkannte ich ihn auch. Die Schirmmütze baumelte an seinem Gürtel.
    Pöppelbaum sah mich vielsagend an. Ich stand auf und trat neben den Unbekannten. Der versuchte gerade, ein Stück von dem Streusel auf seinen Teller zu bugsieren. Ich griff an ihm vorbei zu dem Behälter mit den Kuchengabeln und rempelte ihn leicht an.
    »Scusa!« , lächelte ich.
    »Non fa niente« , murmelte er.
    »Lecker!«, strahlte ich. »Mögen Sie den auch so gern?«
    Erst jetzt nahm er mich wahr. Seine wässrigen blauen Augen scannten mein Gesicht. Hatte er uns im Wald bemerkt? Nein, das konnte nicht sein. Er erinnerte sich aber bestimmt, mich an der Rezeption gesehen zu haben, als ich mich nach den Mahlers erkundigte.
    »Ich bin kein Kuchenfreund«, antwortete er. »Aber die Restaurants haben noch alle zu.«
    »Wohnen Sie auch in diesem Hotel?«
    Sein Blick wurde wachsam. »Man kann Kuchen essen, ohne hier zu wohnen«, antwortete er kühl.
    »Aber Sie machen hier Urlaub?«
    Nun hatte er die Nase voll. Abrupt drehte er ab – den Kuchenteller in der Hand.
    Wayne hatte mit langen Ohren zugehört.
    »Der hält dich für eine mittelalterliche Touristin auf Männerfang«, griente er.
    »Das macht nichts.«
    Der Mann drehte uns den Rücken zu. Mit einer Hand führte er den knochentrockenen Streusel zum Mund, mit der anderen blätterte er in der Blöd-Zeitung.
    »Komischer Typ«, murmelte ich. »Mit dem stimmt was nicht. Ich hätte nicht übel Lust, ihn nach den Mahlers zu fragen und ihm zu sagen, dass wir Journalisten sind. Aber irgendwas warnt mich.«
    »Wir brauchen mehr Informationen«, meinte Wayne. »Solange wir nicht wissen, wen David Cohn gejagt hat, sollten wir vorsichtig sein.«
    »Du hast recht«, seufzte ich. »Lass uns eine Runde durchs Dorf drehen und etwas Herzhaftes essen. Und morgen fahren wir nach Meina.«
    Ein verschwundenes Hotel
    Bis nach Meina waren es knapp siebzehn Kilometer. Die Straße führte direkt am Ufer des Lago Maggiore entlang. Heute hatte ich Pöppelbaum ans Steuer gelassen. Ich hatte schlecht geschlafen, weil ich gestern nichts mehr von Kleist gehört hatte. Sein Handy war abgeschaltet und er hatte sein Zimmer nicht benutzt, wie ich heute Morgen erfahren hatte. Musste ich mir Sorgen machen? Nein. Kleist war ein erfahrener Polizist und mit allen Wassern gewaschen.
    Vor uns quälten sich kleinere Lkw über die Straße. Anhalten war nicht möglich, denn die Fahrbahn war schmal. Rechts ragten die Berge hoch, links glänzte das Wasser. In den Fels hatten Bewohner Unterstände gesprengt, in denen sie Fahrzeuge unterbrachten.
    Mein Handy gab einen Ton von sich. Eine SMS: Bin in Mailand, alles gut. Melde mich. F.
    Ich atmete auf. »Kleist ist in Mailand«, erklärte ich Wayne. »Er wird sich melden.«
    »Dann kannst du ja jetzt deine Leichenbittermiene fallen lassen, Grappa«, meinte er. »In drei Kilometern sind wir da. Wo fangen wir mit der Suche an?«
    »Der Ort ist nicht groß und das Hotel liegt oder lag direkt am See. Ich habe ein altes Foto im Netz gefunden. Notfalls fragen wir bei der Touristeninformation.«
    Auf einem großen Parkplatz vor einer Bootsanlegestelle hielten
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