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Gott-Poker (German Edition)

Gott-Poker (German Edition)

Titel: Gott-Poker (German Edition)
Autoren: Nora Scholz
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zu der abgeschlossenen Abteilung, in der seine Tochter war, zu dem Bett von Magdalena und wieder zurück und wartete. Als sie das Mädchen herausholten, sagte er, es solle Chiara heißen. In derselben Nacht starb Magdalena.
    Die Baronin schwieg.
    »Und dann?« fragte Klara.
    »Nicolas und ich waren hier geblieben. Wir wus sten nicht, was wir tun sollten. Die ganzen Tiere hier, und das Blut… Nicolas war unruhig. Er trank wieder, aber sein ganzer Übermut war geschwunden. Es war eine Qual, ihn ansehen zu müssen, wie er draußen auf der Terrasse saß und das Zeug in sich hineinkippte. Ich wusste, dass er dachte, dass es sein Kind sein könnte, aber Sergej schien diesen Gedanken nicht einmal in Betracht zu ziehen, und so schwieg er. Auch ich sagte nichts.
     
    Eines späten Abends im Oktober kam Sergej hier an, mit der kleinen Chiara auf dem Arm. Sie war nicht ganz gesund, sie sah komisch aus und bewegte sich ruckartig. Magdalenas Eltern hatten Anzeige erstattet, Sergej war des vorsätzlichen Mordes angeklagt und musste verschwinden. Ich rief zu Hause an und schrie meine Mutter solange an, bis sie meinen Vater an den Apparat holte. Ich sagte ihm, ich brauche seine Hilfe. Er kam und brachte uns seine Hochseeyacht auf einem Anhänger. Mit Sergej und der kleinen Chiara und all den vielen präparierten Katzen fuhren wir im Jeep meines Vaters, der immer noch krank war, zu einem Hafen, in dem mein Vater einen alten Freund hatte. Es regnete in Strömen. Wir ließen die Yacht zu Wasser, brachten die Katzen in eine der Kajüten, und Sergej ging mit dem kleinen Bündel auf dem Arm an Bord. Ein Kapitän, den der Freund meines Vaters aufgetrieben hatte, sollte die beiden zu einer Insel bringen. Ohne das Geld meines Vaters wäre alles noch schlimmer geworden. Die Yacht legte ab und verschwand in der stürmischen Nacht. Wir fuhren zurück.
     
    Zurück im Haus, ließen wir die restlichen Tiere frei. Die meisten waren ohnehin mittlerweile gestorben, und wir vergruben sie draußen im Garten. Dann schleppten wir die Tierfelle zum Kamin im Esszimmer und verbrannten sie. Es gab ein riesiges, stinkendes Feuer. Danach konnte man es in dem Haus nicht mehr aushalten. Wir gingen zurück in die Stadt. Nicolas blieb noch ungefähr ein Jahr bei mir, doch wenige Wochen, nachdem unser Sohn geboren war, verschwand er. Ich weiß nicht, wohin, ich habe nie nach ihm gesucht.
    Sergej habe ich letzte Woche wieder gesehen. Ich weiß zwar nicht genau wie und warum gerade jetzt, aber die Dinge sind wohl in Bewegung geraten.«
    »Die Felle«, sagte Klara, »– Sie sagen, Sie haben sie damals verbrannt?«
    Die Baronin nickte.
    »Wie kann es dann sein«, sagte Klara, »dass ich eben noch in diesem Raum inmitten der Tierfelle gelegen habe?«
    Die Baronin zuckte die Schultern. »Dieses Haus ist komisch«, sagte sie, »es war damals schon komisch. Immer schon. Mein Vater hat es schon g esagt. In der Ecke dort oben - sie wies auf die Ecke, die links neben dem Fenster war - da oben ist etwas Komisches. Aus dieser Ecke kommen die Träume. Und die Albträume. So hat es mein Vater gesagt. In diesem Haus gibt es keine Zeit, oder vielmehr, die Zeit läuft anders. Nicht linear. Hier ist alles auf einmal.«
    »Und del Toro –« fragte Klara. »Dann ist also del Toro eine dieser Katzen?«
    »Ja«, sagte die Baronin. »Sie war unsere Lieblingskatze. Sie lag eines Tages in einem Korb vor der Tür. Gehört sie dir?«
    »Nein«, sagte Klara. »Maria. Sie gehört Maria. Aber das verstehe ich nicht«, sagte sie dann. »Wir haben sie bekommen, als sie noch ganz klein war, und das ist höchstens drei Jahre her. Sie lag eines Morgens in einem Korb vor meiner Tür. Ich habe sie Maria geschenkt. Aber sie war winzig, und ich verstehe nicht, wie sie dann eure Lieblingskatze sein konnte.«
    »Das verstehe ich auch nicht«, sagte die Baronin. »Vielleicht ist es nicht die del Toro, die wir damals hatten. Del Toro konnte nicht altern. An ihr war das Experiment geglückt. Deshalb haben wir sie Sergej mitgegeben. Wie die anderen Katzen auch. Sie konnten nicht altern. Irgendwann starben sie trotzdem, aber nicht so wie normale Katzen, die alt werden und jämmerlich sterben. Wenn sie sterben, sehen sie aus, als wären sie gefroren.«
    »Gefroren. Mir ist kalt«, sagte Klara. Sie umfasste sich mit den Armen, um sich zu wärmen. Dabei stieß sie auf das Kästchen in ihrer Jackentasche, das sie im Schlafzimmer der Baronin eingesteckt hatte. Sie zog es heraus.
    »Was ist in dem Kästchen?«
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