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Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht
Autoren: Frank Demant
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Tür bis zum Anschlag auf und erblickte die untere Hälfte einer an die Rückwand gelehnten Bassgitarre, die an beiden Seiten von leeren Bierflaschen flankiert wurde.
    Hinter sich hörte er undeutlich die Stimme der Nachbarin. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“
    Herr Schweitzer ignorierte sie, drehte stattdessen den altertümlichen schwarzen Lichtschalter. Dann wagte er sich in den Raum hinein.
    Die Gestalt, die er in einer Art Fötusstellung auf einer Matratze liegend in der hintersten Ecke entdeckte, brachte sein Herz ein paar Sekunden lang zum Stillstand, ehe er sich nur noch mühsam beherrschen konnte. Er stand kurz davor loszuprusten. Ein Triumph der Selbstbeherrschung, dass er es nicht tat.
    Das männliche Wesen, das dort vor sich hin schnarchte, war eindeutig Kuno Fornet. Die rechte Hand stand seltsam verrenkt vom Körper ab. Mit Handschellen war sie mit einem horizontal verlaufenden Leitungsrohr verbunden. Allerdings, und das war der Grund für Herrn Schweitzers Amüsement, war Fornets Toupet verrutscht. Es sah mehr als affig aus. Sein Kopf war auf ein Kissen mit Blumenmuster gebettet, ein Speichelfaden folgte der Schwerkraft und besagtes Toupet schmiegte sich zwischen Hals und rechte Gesichtshälfte, wobei eine Strähne sich lustig unter der Nase verfangen hatte und irgendwie an Charlie Chaplin erinnerte.
    Entweder war Lucky bestens erzogen oder sie hatte im Alter ihre Stimme verloren, jedenfalls kam von ihr kein Mucks. Dafür aber von der Nachbarin, die sich durch die Tür schob und augenblicklich einen Laut von sich gab, als sie Herrn Fornet entdeckte, und der phonetisch irgendwo zwischen einem „Huch!“ und einem Schluckauf angesiedelt war. „Wer ist das?“, fragte sie, nachdem sich der erste Schrecken gelegt hatte.
    Offensichtlich hatte Schmidt-Schmitt keinen Namen genannt.
    Herr Schweitzer: „Kuno Fornet, Ihr Nachbar, ein paar Häuser weiter.“
    Die Nachbarin trat näher. „Tot?“
    „Nein, hören Sie, er schnarcht.“
    „Ach, mein Gehör. Wissen Sie, im Alter. Gut.“
    „Was gut?“
    „Dass er nicht tot ist. Er ist ja noch so jung. Ungefähr im Alter von meinem Jürgen, als er sich erhängt hat.“
    „Oh, das tut mir leid“, bekundete Herr Schweitzer.
    „Quatsch. War sowieso ein Depp. Mein vierter Mann Johannes – das war ein feines Mannsbild. Hat allerdings ständig mit anderen Weibern rumgemacht, bis ich ihn rausgeschmissen hab.“
    Herr Schweitzer war gerade im Begriff, sich zu fragen, wie er dazu kam, solcherlei Konversation zu betreiben, als sein Handy klingelte. Mischa, las er auf dem Display. Er drückte das grüne Symbol und sprach ganz aufgeregt: „Servus. Wir haben Kuno Fornet. Er war tatsächlich im Musikkeller von Linus Stranz.“
    Nach einer kleinen Pause sagte Herr Schweitzer: „Oh, tatsächlich. Und das Geld?“, „Super. Nicht dass es noch in falsche Hände gerät.“, „Okay, ich schicke die Nachbarin in fünf Minuten raus, dann findet ihr das Haus schneller und braucht nicht im Dunkeln nach Hausnummern zu suchen. Ich kümmere mich inzwischen um das Opfer.“
    Zur Nachbarin gewandt: „Sie haben’s ja gehört. Gleich kommt die Polizei. Wäre fein, wenn Sie oben auf sich aufmerksam machen könnten.“
    „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“
    „Hm? Gute Idee. Sicher ist sicher. Ich wecke ihn gleich.“
    Die Nachbarin schien bester Laune zu sein. Endlich war mal was los. „Mach ich. Ich nehme Lucky mit. Komisch, sonst ist sie immer ziemlich futschi nach ihrer Morgenrunde. Sie schläft viel. Normalerweise.“
    Zwar hatte Herr Schweitzer es nicht so mit Haustieren, aber Lucky erinnerte ihn nicht nur entfernt an sich selbst. „Gut. Bis später.“
    Als sie weg war, räumte er erst einmal einen Teller mit drei oder vier Brotscheiben beiseite. Dann kniete er sich vor das Opfer und rüttelte sanft an dessen Schulter. „Herr Fornet“, flüsterte er, „aufwachen, Herr Fornet.“
    „Mmm.“
    Er rüttelte fester.
    Langsam kam Bewegung in den Körper. Zuerst streckte Kuno Fornet seine Beine aus und die gefesselte Hand zuckte. Dann gaben seine Lippen ein schmatzendes Geräusch von sich, während das linke Auge kurz blinzelte.
    Augenscheinlich befand er sich in der Tiefschlafphase.
    Herr Schweitzer überwand seine natürliche Abneigung, schlafende Menschen zu wecken, und kniff Herrn Fornet kräftig in die Wange. „Hey, hallo! Ich bin’s, Simon Schweitzer. Sie sind frei. Kommen Sie schon, aufwachen.“
    Seine Maßnahme zeitigte Erfolg. Kuno Fornet schlug beide Augen auf
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