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Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Titel: Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth George
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wohnen«, sagte er tonlos.
    »Sie muss es irgendwie rausgefunden haben.«
    »Wie denn? Sie kennt ja nicht mal ihre Namen. Nicht den meiner Frau, nicht die meiner Kinder. Sie kann unmöglich … Aber Hadiyyah hat wahrscheinlich gedacht … Bestimmt denkt sie …« Er verstummte.
    »Wir müssen die Polizei verständigen«, sagte Barbara, obwohl sie wusste, dass es zwecklos war. Denn Hadiyyah war nicht mit einer Fremden fortgegangen. Sie war in Begleitung ihrer Mutter. Und dass Azhar nicht geschieden war, machte die Frage nach dem Sorgerecht kompliziert. Ein Mann und eine Frau und ihre gemeinsame Tochter hatten ein paar Jahre lang einigermaßen friedlich zusammengelebt. Dann war die Mutter ins Ausland gegangen. Zwar war sie irgendwann zurückgekehrt, aber Barbara begriff plötzlich, dass sie das nur getan hatte, um ihre Tochter zu holen: Sie hatte Azhar in falscher Sicherheit gewiegt, ihn glauben lassen, es wäre alles wieder gut, und einen günstigen Moment abgewartet, um mit Hadiyyah spurlos zu verschwinden.
    Gott, Angelina hatte sie alle hereingelegt und benutzt, dachte Barbara. Und was würde Hadiyyah denken und fühlen, wenn ihr dämmerte, dass ihre Mutter sie von ihrem Vater fortbrachte, an dem sie hing, und dass sie sie aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen hatte. Wohin würde Angelina wohl mit ihrer Tochter gehen?, fragte sich Barbara. Wohin?
    Niemand verschwand wirklich spurlos. Barbara war schließlich Polizistin, und sie wusste nur zu gut, dass niemand verschwand, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. »Kommen Sie, wir gehen in Ihre Wohnung«, sagte sie zu Azhar.
    »Ich kann da nicht mehr reingehen.«
    »Sie müssen, Azhar. Sonst finden wir Hadiyyah nie wieder.«
    Ganz langsam stand er auf. Barbara führte ihn am Arm zum Vorderhaus. Auf der Terrasse vor seiner Wohnung blieb er stehen, aber sie bugsierte ihn weiter. Sie ließ sich von ihm die Schlüssel geben, schloss die Haustür auf und machte Licht.
    Barbara betrachtete das Wohnzimmer, das Angelina so geschmackvoll renoviert hatte. Und auf einmal kapierte sie, was das alles zu bedeuten hatte. Angelina hatte sie alle hinters Licht geführt, nicht nur Azhar und Hadiyyah, sondern auch Barbara. Es wird ein Riesenspaß, und was glaubst du, was dein Vater für Augen machen wird!
    Azhar stand in der Diele, das Gesicht aschfahl. Barbara fürchtete schon, dass er gleich aus den Latschen kippen würde. Sie führte ihn vorsichtshalber in die Küche und drückte ihn auf einen Stuhl an dem kleinen Tisch. »Warten Sie«, sagte sie zu ihm. »Es wird alles gut, Azhar. Wir werden sie finden. Wir werden sie beide finden.« Er sagte nichts.
    Sie ging ins Schlafzimmer und stellte fest, dass alles verschwunden war, was Angelina gehörte. Die Frau konnte unmöglich alle ihre Habseligkeiten in Koffern mitgenommen haben, was bedeutete, dass sie die meisten Sachen schon vorher heimlich verschickt haben musste. Was wiederum bedeutete, dass sie bereits im Voraus gewusst hatte, wohin sie gehen würde, und vielleicht sogar, zu wem. Ein wichtiges Detail.
    Auf dem Bett lag eine Geldkassette. Sie war offen, und der Inhalt war auf das Bett gekippt worden. Barbara ging die Sachen durch: Versicherungspolicen, Azhars Reisepass, eine Kopie seiner Geburtsurkunde, ein verschlossener Umschlag, auf dem in seiner sauberen Handschrift stand: Testament . Alles, was mit Hadiyyah zu tun hatte, fehlte, genau wie er es gesagt hatte.
    Barbara ging ins Kinderzimmer. Hadiyyahs Kleider waren alle weg – bis auf ihre Schuluniform, die auf dem Bett lag wie zum Hohn, dass das Mädchen sie nie wieder tragen würde. Auch ihre Schultasche war noch da, mitsamt den Büchern und den in einem Ringbuch säuberlich abgehefteten Hausaufgaben. Auf dem Schreibtisch stand Hadiyyahs Laptop, und obenauf thronte eine kleine Plüschgiraffe, die ein freundliches Mädchen ihr im vergangenen Jahr auf dem Vergnügungspier in Balford-le-Nez in Essex geschenkt hatte. Diese Giraffe, dachte Barbara, hätte Hadiyyah niemals freiwillig zurückgelassen. Auch nicht den Laptop. Oder ihre Schulsachen. Und vor allem hätte sie niemals freiwillig ihren Vater verlassen.
    Sie ging zurück in die Küche, wo Azhar immer noch am Tisch saß und vor sich hinstierte. »Azhar«, sagte sie. »Sie sind Hadiyyahs Vater. Das lässt sich nachweisen. Sie hat seit ihrer Geburt bei Ihnen gewohnt. Die Nachbarn im ganzen Haus werden das bezeugen. Die Polizei wird die Leute hier befragen, und sie werden aussagen, dass Sie ein liebevoller Vater sind.
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