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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
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ihrem Bauch heranwuchs. Aber als er jetzt nach der Angst davor in sich suchte, fand er nichts weiter als seltsam unbestimmte Beklemmung. Es stimmte nicht, dass man sich nicht nach etwas sehnen konnte, was man nie gekannt hatte. Er hatte nie eine wirkliche Familie gehabt, und dennoch in dem Augenblick als er zum ersten Mal die Polizeischule betrat genau gewusst was Gemeinschaft bedeutete. Nicht einmal Färber und Salekis Erpressung hatte irgendetwas daran ändern können.
    Sie schafften es kaum bis zum Bett. Den Weg vom winzigen Wohnzimmer zum Schlafzimmer markierte eine Spur aus Pullover, Hosen, Nylons, BH und Hemd. Sie trieben es hart und heftig. Beide Körper waren schweißbedeckt, sobald sie ihre Gier aneinander abgekühlt hatten.
    Jetzt, da sie allmählich wieder zu Atem gekommen waren, lag Saschas Kopf auf Boyles schweißglänzenden Bauch.
    „ Ich brauch einen anderen Job. Von dem bisschen, was ich im Club kriege, kann ich mir nie und nimmer eine Wohnung, Klamotten, Versicherungen, das Auto UND einen Babysitter leisten. Ich weiß, dass Teddy einen zu vergeben hat. Ihr kennt euch so lange. Dir kann er nichts abschlagen.“
    Saschas Finger strichen über seine Lippen.
    Boyle der seinen Kopf hob und sie ansah. „Was für einen Job?“
    „ Er hat den Geschäftsführer vom Reggiani rausgeworfen. Ich könnte was aus dem Laden machen, das weiß ich.“
    Das Reggiani war eine Disco für Yuppies und Galerieaffen, die nichts Besseres mit ihrer Kohle anzufangen wussten als sie für Teddys überteuerte Cocktails raus zu werfen. Wirklich gut gelaufen war es noch nie. Andererseits sollte es das aber auch gar nicht, da es Teddy ausschließlich dazu diente über die Verluste, die er damit einfuhr, Gewinne aus anderen Geschäften sauber zu waschen.
    „ Das kann warten. Ich hab `n Flugticket nach Fuerteventura. Ein Anruf und wir machen zwei draus. Du hast noch genug Zeit zu packen.“
    Sascha schüttelte den Kopf.
    „ Ich kann nicht. Ich hab hier noch jede Menge zu erledigen. Außerdem bin ich ziemlich pleite. Rede mit Teddy. Heute noch. Er ist bestimmt im Büro. Wenn DU ihn fragst, kann er nicht Nein sagen.“
    Sie schob Boyles Kopf von ihrem Bauch, stand vom Bett auf und ging zum Bad.
    Boyle sah ihr nach. Dachte einen Augenblick darüber nach, ob es Zeit war ihr zu sagen, dass für ihn Geld seit einiger Zeit nur noch eine ziemlich untergeordnete Rolle spielte.
    Sascha blieb an der Badtür stehen, wandte sich aber nicht, wie er es erwartet hätte, noch einmal zu ihm um.
    Das Licht einer Stehlampe, das von schräg oben auf sie herab fiel, dabei zwar ihren Körper modellierte, aber ihr Gesicht im Halbdunkel beließ.
    „ Ich werde dieses Kind kriegen, Boyle, und wenn es sein muss auch ohne einen Vater dazu. Aber es wäre nicht dasselbe, verstehst Du?“
    Als sie die Badtür öffnete und verschwand, kam plötzlich die Angst davor ein Vater zu werden.
    Vielleicht sah Sascha Boyle später durchs Fenster zu wie er aus dem Haus über die Straße und zu seinem Wagen ging. Und womöglich war er einen Moment sogar versucht umzukehren.

    Teddys Büro lag im Hinterhof eines unscheinbaren Mietshauses in einer stillen Seitenstraße. Und ein Büro im herkömmlichen Sinne war es sowieso nicht.
    Vor einigen Jahren hatte sich Teddy mit dem Kauf des Hauses auch eine schlecht laufende Bar im Hinterhof eingehandelt. Nach nur wenigen Tagen setzte er ihren Pächter vor die Tür und machte aus der Not eine Tugend, indem er die Bar kurzerhand zu seinem Büro umfunktionierte und den Rest der Bar samt den beiden Parterrewohnungen zu einem Swingerclub umbauen ließ, dessen Name Fleur de Mal er einem Titel eines von Boyles Gedichtbänden entlehnte.
    Das Büro, der Swingerclub und das in einem schick renovierten ehemaligen Lagerhaus in der Speicherstadt liegende Reggiani, bildeten nur den kleineren Teil von Teddys Besitz. So gehörten ihm außerdem nur zwei Straßen weiter drei weitere Mietshäuser, in deren oberen Stockwerken sich 24 Stunden am Tag ausgesucht attraktive Frauen vor Webcams räkelten und damit alles in allem mehr Geld scheffelten, als ihre sechs Kolleginnen, die drei Stockwerke drunter ihre Freier noch auf die klassische Art und Weise bedienten.
    Boyle blieb vor der massiven Metalltür mit dem winzigen vergitterten Klappfenster stehen. Betätigte den Klingelknopf, der daneben aus der Wand ragte.
    Es dauerte, bis sich das vergitterte Fensterchen öffnete.
    Eine Frau, Anfang zwanzig, das kugelrunde Gesicht von dunklen Löckchen
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