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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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andererseits nur mit Rückenwind zu segeln versteht, gelangt bloß dahin, wohin der Wind ihn gerade weht. Wer aber die Energie des Windes richtig einzusetzen versteht, kann mit Geduld sein Ziel erreichen und behält darüber hinaus die Kontrolle über die Situation.
    Wollen Sie die Dynamik Ihrer Probleme nutzen, um sich davon vorwärtsbringen zu lassen, müssen Sie ein entsprechendes Gespür für sie entwickeln, ganz so, wie ein Segler ein Gespür für sein Boot, das Wasser und den Wind braucht, um auf seinem Kurs zu bleiben. Sie müssen lernen, in allen möglichen Stresssituationen mit sich selbst zurechtzukommen, nicht nur bei Schönwetter und idealen Windverhältnissen.
    In der Realität sind viele Kräfte am Werk, die völlig außerhalb unseres Einflussvermögens liegen, und andere, die sich nur vermeintlich unserer Kontrolle entziehen. Ob wir fähig sind, unsere Lebensumstände zu beeinflussen, hängt weitgehend von unserer Einstellung zu den Dingen ab. Was für uns im Bereich des persönlich Möglichen liegt, wird von dem Bild bestimmt, das wir von uns selbst und unseren Fähigkeiten haben, davon, wie wir die Welt und die in ihr wirkenden Kräfte wahrnehmen. Unsere Wahrnehmung wirkt sich darauf aus, mit welcher Energie wir an Dinge herangehen und in welche Kanäle wir die uns zur Verfügung stehende Energie lenken.
    Solange wir das Gefühl haben, dass die Dinge »unter Kontrolle« sind, erfahren wir Momente der Genugtuung; sobald sie aber wieder außer Kontrolle geraten oder auch nur außer Kontrolle zu geraten
scheinen,
reagieren wir mit tiefer Verunsicherung bis hin zu destruktivem Verhalten, das sich gegen uns selbst und andere richtet, und wir werden uns alles andere als ausgeglichen und zufrieden fühlen.
    Ist Ihr gewohnter Aktionsradius durch eine chronische Krankheit, durch eine Behinderung oder Schmerzen eingeschränkt, kann das ganze Bereiche einstiger Kontrolle betreffen, die auf einmal wegbrechen. Die Angst vor Kontrollverlust bleibt aber bei weitem nicht auf die großen Probleme, die uns das Leben stellt, beschränkt. Der größte Stress entsteht für uns gerade im Umgang mit den Bagatellen des Alltags, wenn diese auf die eine oder andere Weise in uns das Gefühl von Ohnmacht auslösen: von der Autopanne kurz vor einem wichtigen Termin über die Kinder, die nicht hören wollen, bis hin zur »endlos langen« Schlange an der Kasse im Supermarkt.
     
    Es ist nicht ganz einfach, eine bündige Bezeichnung zu finden, mit der das ganze Spektrum an Erfahrungen ausgedrückt ist, die uns im Leben zusetzen und quälen können. Wollten wir die ganze Vielfalt solcher Erfahrungen zusammentragen, so gehörte das Bewusstsein der eigenen Verwundbarkeit und Sterblichkeit ebenso in diese Liste wie das Potenzial zu kollektiver Grausamkeit und Gewalt, das ungeheure Ausmaß an Borniertheit, Habgier, Wahn und Verblendung, von dem die Menschheit weit überwiegend getrieben scheint. Wie lässt sich eine Bezeichnung für die Summe menschlicher Verwundbarkeit und Unzulänglichkeit finden, für all unsere Schwächen und Schranken, die Verletzungen, Krankheiten und Behinderungen, mit denen wir mehr oder weniger leben müssen, unser Scheitern, all die Niederlagen, Ungerechtigkeiten, Demütigungen und Kränkungen, die wir hinzunehmen hatten oder noch werden hinnehmen müssen, den Verlust von Menschen, die wir lieben, und schließlich den Verfall des eigenen Körpers? Es müsste eine Metapher sein, die frei von Sentimentalität ist, in der ausgedrückt ist, dass es kein Unglück ist, am Leben zu sein, nur weil wir in ihm Angst und Leid erfahren. Ebenso müsste in ihr zum Ausdruck kommen, dass es neben dem Leiden auch Freude gibt, neben der Verzweiflung auch Hoffnung, neben Ruhelosigkeit auch Frieden, neben Hass auch Liebe, nicht nur Krankheit, sondern auch Gesundheit.
    Um einen Ausdruck verlegen, der diesen Aspekt menschlicher Existenz beschreibt, mit dem die Patienten bei uns in der Klinik ringen, fällt mir immer wieder ein Satz aus dem Film
Alexis Sorbas
nach dem Roman von Nikos Kazantzakis ein. Sorbas’ junger Freund wendet sich einmal mit der Frage an ihn: »Sorbas, hast du eigentlich je geheiratet?«, woraufhin Sorbas sinngemäß antwortet: »Bin ich nicht ein Mann? Natürlich habe ich geheiratet. Frau, Haus, Kinder …
die ganze Katastrophe!
«
    Es ist nicht im Sinne einer Klage gemeint, und es soll nicht heißen, dass es eine Katastrophe sei, Frau und Kinder zu haben. In Sorbas’ Antwort liegt vielmehr höchste
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