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Gespensterjäger in der Gruselburg

Gespensterjäger in der Gruselburg

Titel: Gespensterjäger in der Gruselburg
Autoren: Cornelia Funke
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Kümmelsaft, »was dann? Wir haben noch eine halbe Stunde, um uns etwas einfallen zu lassen. Wenn unsere Freundin nicht früher zurückkommt. Und sie wird ziemlich ärgerlich sein, das ist sicher.«
    Alle schwiegen bedrückt.
    Tom fühlte sich scheußlich. Absolut scheußlich.
    »Ja, ja, schon gut!« sagte er schließlich. »Ich mach’ es. Ich
    zieh’ das Ding an. Aber ich muß nicht noch ’ne Perücke oder so was aufsetzen, oder?«
    »Oin Schloiör wärö nücht schlöcht«, säuselte Hugo. »Dos würdö dür wundörbor stöhön.«
    »Hugo, laß ihn in Ruhe«, sagte Frau Kümmelsaft und stand auf. »Machen wir uns an die Vorbereitungen. Frau Wurm, können Sie das Kleid so verändern, daß die Baronin es nicht erkennt?«
    »Kein – icks – Problem«, sagte Frau Wurm.
    »Gut«, sagte Frau Kümmelsaft. »Dann fangen Sie am besten gleich an. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«

    Es war kurz vor vier, als Tom mit Frau Kümmelsaft auf die Zugbrücke hinaustrat. Pechschwarz hing die Nacht über der alten Burg, nur der Schnee schimmerte in der Dunkelheit. Es schneite nicht mehr, aber ein eisiger Wind strich um die Mauern und fuhr in den Glockenturm der Kapelle. Unheimlich wehte ihr Läuten herüber, das war das einzige Geräusch in der nächtlichen Stille.
    Tom schauderte.
    Er fühlte sich gräßlich. Das Kleid der Baronin flatterte ihm um die Glieder, und obwohl er Jeans und Pullover drunter trug, fror er erbärmlich. Auf dem Kopf hatte er einen Schleier, damit die Baronin nicht gleich merkte, mit wem sie es zu tun hatte.
    »Mannomann!« murmelte Tom. »Nur gut, daß mich keiner so sieht.«
    »Ach, komm!« sagte Hedwig Kümmelsaft. »In anderen Ländern tragen Männer ständig Kleider, oder? Mach bitte den Spukenergie-Visualisator an.«
    »Okay!« Tom knipste ein Ding an, das haargenau wie eine Taschenlampe aussah. Nur daß es eine seltsam geformte blaue Birne hatte. Langsam ließ er den blauen Strahl über die Brücke wandern.
     

    »Da!« flüsterte er. »Da muß es passiert sein.« Ganz rechts, am Rand der Brücke, begann der Schnee zu leuchten, als das blaue Licht auf ihn fiel. Er wirbelte hoch und rieselte bläulich schimmernd auf das dunkle Wasser des Burggrabens hinab. Ein leiser Seufzer strich durch die Nacht.
    »Haben Sie etwas gefunden?« rief Herr Wurm.
    Zusammen mit seiner Frau saß er in einem Ruderboot unter der Brücke. Die beiden hatten darauf bestanden, nun auch bis zum bitteren Ende mit dabeizusein.
    »Ja, wir haben die Stelle!« antwortete Frau Kümmelsaft.
    »Aber nun keinen Laut mehr da unten, verstanden? Sonst greift die Baronin womöglich nach Ihnen und nicht nach unserem Gutgekleideten Freund hier.«
    Tom schluckte. Er sah plötzlich bleiche, lange Finger vor sich, die nach ihm griffen. Entschlossen schüttelte er den Kopf.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte Frau Kümmelsaft besorgt.
    »Nein, nein«, antwortete Tom. Erste Regel der Gespensterjägerei: Stell dir nie zu genau vor, was auf dich zukommen könnte, rief er sich ins Gedächtnis.
    Entschlossen raffte er das lange Kleid zusammen und stellte sich genau auf die Stelle, an der vorhin der Schnee aufgewirbelt war.
    Sie leuchtete immer noch, aber als Tom den Spukenergie-Visualisator ausknipste, verschwand das blaue Licht, als hätte es jemand weggewischt.
    »Komisches Gefühl«, dachte Tom. »Genau da zu stehen, wo der Tod die Baronin geschnappt hat.« Für einen kurzen Augenblick fühlten seine Füße sich ganz heiß an.
    Frau Kümmelsaft sah auf die Uhr. »Vier Uhr. Zeit, daß sie kommt. Bist du bereit? Deine Zähne klappern.«
    »Das ist bloß die Kälte«, brummte Tom.
    »Gut, dann geb’ ich Hugo das Zeichen!« Mit einem weißen
    Taschentuch winkte Frau Kümmelsaft zum Glockenturm hinauf. Dort wartete Hugo auf seinen Einsatz.
    »Hör mal, mein Lieber.« Frau Kümmelsaft legte Tom den Arm um die Schultern. »Versprich mir, nicht den Helden zu spielen. Wenn dir irgendwas komisch vorkommt, renn weg. Oder spring in den Wassergraben. Versprochen?«
    Tom nickte und blickte hinunter auf das schwarze Wasser. An den Rändern des Grabens bildete sich schon eine Eisschicht.
    »Na, da muß es aber schon sehr schlimm kommen, daß ich da reinspring«, sagte er. »Mit dem Kleid würde ich doch untergehen wie ’ne Bleiente. Kein Wunder, daß die Baronin mit dem schweren Fummel ertrunken ist.«
    »Nun, notfalls können die Wurms dich ja rausfischen«, sagte Frau Kümmelsaft. »Aber ich hoffe, daß solche Maßnahmen nicht nötig sein werden.
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