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Geschöpfe Der Ewigkeit

Geschöpfe Der Ewigkeit

Titel: Geschöpfe Der Ewigkeit
Autoren: Christopher Pike
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bringen, indem ich es bloß ansehe. Ich gebe meiner Stimme einen solchen Klang, daß es ihm unmöglich ist, meine Einladung abzulehnen.
    »Irgendein Mädchen. Und das ist es doch, was du suchst, nicht wahr?«
    Er leert seinen Drink und erhebt sich. »Laß uns gehen!« stößt er hervor.
    Draußen auf der Straße sucht er offensichtlich nach seinem Wagen, findet ihn aber nicht. Ich muß schnell gehen, um mich seinem Schritt anzupassen.
    Passanten gehen in der Dunkelheit an uns vorüber, namenlose Gesichter der Menschlichkeit, die mich schon so lange umgibt. Die Sommerluft ist warm.
    »Falls wir dein Auto nicht finden, können wir meins nehmen«, schlage ich schließlich vor.
    Er zuckt mit den Schultern. »Wir könnten auch einen kleinen Spaziergang machen, um einander ein bißchen kennenzulernen.«
    »In Ordnung. Was arbeitest du eigentlich?«
    »Ich bin Klempner. Und was machst du?«
    »Ich bin Künstlerin.«
    Er wirkt amüsiert. »Tatsächlich? Du malst?«
    »Ich arbeite als Bildhauerin. Skulpturen.«
    Er grinst wölfisch. »Akte?«
    »Manchmal.« Es macht wirklich Spaß, sich kennenzulernen.
    Gleichzeitig merke ich, daß irgend etwas nicht stimmt, aber ich weiß nicht, was es ist. Er hat irgendein Problem mit mir, wobei ich nicht einfach meine, daß er mich zu töten beabsichtigt. Er stellt sich vor, wie das Licht in meinen leuchtend blauen Augen schwächer wird, während ich unter seinem Griff sterbe.
    Ich spüre genau, daß ich nicht nur ein beliebiges weiteres Opfer für ihn bin.
    Er hat Angst vor mir.
    Irgend jemand hat ihm etwas über mich erzählt.
    Aber wer es war, kann ich nicht sagen. Meine Konzentration richtet sich nicht ungeteilt auf das Jetzt und Hier; aus irgendeinem Grund muß ich die ganze Zeit auch an Seymour denken. Dabei weiß ich gar nicht, warum ich mir Sorgen um Seymour mache. Heidi wird ihm gewiß nichts tun.
    Ich habe die Gedanken des Mädchens vorhin für ein paar Sekunden durchleuchtet und nichts gefunden als den Plan, ein paar Drinks zu nehmen und vielleicht Sex zu haben. Nein, sage ich mir, du mußt dich auf Dan konzentrieren. Ich frage mich, wohin er mich führt – und wem wir am Ende unseres Weges gegenüberstehen werden. Plötzlich biegt er nach links in eine dunkle Allee ab. Natürlich sehe ich trotz der Dunkelheit hervorragend.
    »Wohin gehen wir?« frage ich.
    »Zu mir«, antwortet er.
    »Ist es so nah, daß wir es zu Fuß schaffen?«
    »Ja.« Er zögert und betrachtet mich von der Seite. Obwohl er sich alle Mühe gibt, cool und gelassen zu wirken, atmet er schnell und sein Herz schlägt heftig.
    Ohne Zweifel weiß er, daß ich nicht diejenige bin, die ich vorgebe zu sein – und gefährlicher als jeder bewaffnete Cop. Aber er weiß nicht, daß ich ein Vampir bin. Beim Durchforsten seiner Gedanken stoße ich auf keine Vorstellung davon, wie ich zum Beispiel sein Blut trinke.
    Aber je weiter wir gehen, desto weniger gelingt es mir, seine Gedanken zu lesen, was äußerst ungewöhnlich für mich ist. Doch ich spüre, daß er sich fragt, wie unser weiteres Beisammensein verlaufen wird – und was mir in Verbindung mit einer anderen Person geschehen wird. Diese andere Person, das erkenne ich, scheint für ihn genauso gefährlich zu sein wie ich.
    Die andere Person ist nah. Sie wartet.
    Werden wir gleich auf einen weiteren Vampir treffen?
    Eigentlich sollte es bis auf Seymour und mich keine Vampire mehr geben.
    Ich lächle. »Lebst du allein?«
    »Ja«, antwortet er, und er läßt die Hände über seine Jackentaschen gleiten.
    Ich erkenne, daß er eine Waffe versteckt, und ich frage mich, warum mir das nicht schon früher aufgefallen ist. Die Waffe muß ungewöhnlich klein sein.
    Aber auch als ich tief einatme, rieche ich nicht mal eine Spur von Pulver in der Luft – und das, obwohl ich eine Kugel normalerweise aus einer Viertelmeile Distanz erschnüffeln kann. In meinem Kopf häufen sich die Fragen, doch ich bin weit davon entfernt, jetzt davonzulaufen. Ich stehe vor einem Rätsel, und ich muß es lösen.
    »Ich lebe mit meinem Bruder«, sage ich.
    »Der Bursche an der Bar?«
    »Ja.«
    »Er hat nicht ausgesehen wie dein Bruder.« Diese Bemerkung klingt scharf.
    Aus irgendeinem Grund hat sich dieser Knabe Seymour genau angesehen.
    Warum nur?
    »Wir haben verschiedene Väter«, sage ich und lasse die Hand über die Stelle meines schwarzen Ledermantels gleiten, unter der mein Messer im Gürtel steckt. Mit einem guten Messer kann ich einen Menschen mittlerweile aus einer Meile Entfernung
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