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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen Fry
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klappte den Deckel wieder zu.
    »Ruhe!« zischte Leo. »Das ist doch kein Wolf.«
    Stirnrunzelnd reichte er mir zwei Pappstreifen.
    Ich öffnete die Schachtel wieder, linste aber nur von fern hinein, stets auf der Hut, weiteren Geschöpfen der Luft auszuweichen.
    Anscheinend enthielt sie keine geflügelten Insekten mehr. Vielleicht ein paar Flöhe, aber nichts annähernd so Großes wie diesen ersten Käfer des Grauens. Nein, die restlichen Geschöpfe in dieser Büchse der Pandora gehörten der schleimigen Sorte an. Sie waren in den letzten Stunden fleißig gewesen, fleißig und vermehrungsfreudig. Der ganze Schachtelinhalt wogte und zitterte vor Leben. Die Matsche war schon viel zu sehr zersetzt, als daß ich die Schachtel mit zwei Pappstreifen hätte leeren können.
    »Ich glaube …«, sagte ich mit einer durch die Maske dunklen und gedämpften Stimme, »ich glaube, ich kipp sie am besten direkt rein, meinen Sie nicht auch?«
    Leo sah in die Schachtel, nickte stumm und deutete auf eine Art Weihwasserbecken. Dessen oberer Teil, die Schale oder Schüssel, sollte die beiden Rattenkadaver aufnehmen. Vom unteren Teil führten pulsierende Datenschläuche zur Maschine.
    Leo machte eine Geste, ich solle es endlich hinter mich bringen, also hielt ich die Luft an und leerte die Schachtel in die Schale aus.
    Selbst die mentholgetränkte Maske konnte den entsetzlichen Gestank nicht ganz überdecken. Ohne hinzusehen, schlug ich die Schachtel gegen den Schalenrand und hörte, wie der glibberige Brei aus verwesendem Fleisch auf das Plastik des Beckens klatschte wie Haferschleim, den die Matrone im Armenhaus auf den Tellern verteilt. Ich riskierte einen kurzen Blick in die Schachtel und sah, daß in den Ecken noch Reste klebten.
    »Haben Sie irgendwas, womit ich den Rest rauskriege?« fragte ich Leo.
    Er stand auf, sah sich um und holte einen Kaffeebecher von einem Tisch in der Ecke.
    Er gab ihn mir und sah zu, wie ich die Schachtel auskratzte.
    »Sieh mal einer an. Was ist denn hier los, tausend heulende Höllenhunde noch mal?«
    Ich sah entgeistert hoch und ließ Becher und Schachtel klirrend auf den Boden fallen.
    Brown und Hubbard standen auf der Schwelle. Beide mit Pistolen im Anschlag.
    »Keiner rührt sich vom Fleck«, sagte Brown und kam in den Raum. »Ich will wissen –
verfluchte Scheiße!«
    Er schlug die Hand vor den Mund und wich würgend zurück. Ich sah, wie ihm Erbrochenes durch die Finger tropfte.
    Auch Hubbard hatte den Gestank bemerkt und zog ein Taschentuch aus der Tasche. Ich schaute Leo an und sah, daß er den schwarzen Schalter unter dem Bildschirm in zehn Metern Entfernung ansah. Die Farbwolken rotierten immer noch über den Schirm. Alles war einsatzbereit.
    Ich machte einen kleinen Schritt auf die Maschine zu.
    »O nein, Bürschchen, das läßt du schön bleiben«, sagte Hubbard und reichte Brown das Taschentuch. »Keinen Schritt weiter.« Er hob die Hand mit der Pistole in Schulterhöhe und zielte auf meinen Kopf.
    Brown wischte sich den Mund ab und funkelte uns dabei wütend und mißtrauisch an. Ich hatte das Gefühl, daß er sich über seine unbeherrschten Verwünschungen mehr ärgerte als darüber, daß ihm schlecht geworden war. Schon bei unserer ersten Begegnung hatte ich gespürt, daß er auf das Image des leisen Cowboys großen Wert legte. Seinen Untergebenen war er garantiert sympathisch, weil er so ein wunderbar exzentrischer Gary-Cooper-Exzentriker war. Und Gary Cooper hat
niemals
»verfluchte Scheiße« gesagt. Oder jedenfalls in keinem Film, den ich je gesehen habe.
    »Ich weiß nicht«, sagte er durchs Taschentuch, »über wasfür Perversionen wir hier gestolpert sind, aber ich will verdammt sein, wenn ich das nicht rauskriege. Ihr bleibt, wo ihr seid, verstanden? Keiner sagt einen Ton. Ihr nickt oder schüttelt den Kopf, klar?«
    Leo und ich nickten im Gleichtakt.
    »Brave Jungs. Also. Haben Sie noch ein paar Atemschutzmasken?«
    Leo nickte.
    »Wo?«
    Leo zeigte auf seine Hosentasche.
    »Gut. Sie greifen jetzt ganz langsam in die Tasche und werfen sie mir zu, okay?«
    Leo schüttelte den Kopf und hielt einen Finger hoch.
    »Was soll das heißen? Sie haben nur eins von den Scheißdingern?«
    Leo nickte. Mir wurde klar, daß er auch Steve eine Maske mitgebracht hatte, damit der an der Stunde unseres Triumphs teilnehmen konnte.
    »Scheibenkleister. Na, macht nichts. Dann werfen Sie mir die eine rüber.«
    Leo kam der Aufforderung nach. Hubbard fing die Maske geschickt auf und gab sie an Brown
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