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Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)

Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)

Titel: Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
Autoren: Robyn Carr
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und ein T-Shirt ohne Löcher. Er hatte nichtsdestotrotz den Eindruck, dass die Mitarbeiterin ihn ohne die Bibel, die er in der Hand hielt, ernsthaft infrage gestellt hätte. Offensichtlich musste sich ein Pfarrer erst ein wenig herausputzen, bevor er Krankenbesuche machen durfte.
    Noahs erster Patient war ein älterer Mann, ein echter Griesgram, der schon beim Anblick der Bibel sagte: „Ich bin nicht in Stimmung.“
    Noah lachte. „Die Bibel passte leider nicht in meine Hosentasche. Erzählen Sie mir doch einfach, worauf Sie Lust haben. Möchten Sie reden, Witze erzählen, Fernsehen gucken?“
    „Wo kommen Sie her, mein Junge?“, wollte der alte Mann wissen.
    „Ich bin ursprünglich aus Ohio, aber ich wohnte zuletzt in …“
    „Nein! Ich meine, welcher Religion Sie angehören.“
    „Oh. Ich bin Presbyterianer.“
    „Ich bin seit fünfzig Jahren in keiner Kirche mehr gewesen. Vielleicht sogar noch länger nicht.“
    „Was Sie nicht sagen“, erwiderte Noah trocken.
    „Doch als ich das letzte Mal dort war, war es mit Sicherheit keine presbyterianische!“
    „Aha.“
    „Ich bin Katholik!“
    „Im Ernst?“, fragte Noah. „Nun, dann lassen Sie uns mal sehen.“ Er griff in die Hosentasche und fischte einen Rosenkranz heraus. „Können Sie damit etwas anfangen?“
    „Was zum Henker macht ein presbyterianischer Pastor denn mit so was? Benutzen Sie die jetzt etwa auch?“
    „Nein, wir bleiben schön bei unseren Leisten, aber ich bin ein ziemlich guter Mehrzweckgeistlicher. Wollen Sie den Rosenkranz haben?“
    „Ich würde ihn nicht benutzen“, entgegnete der alte Mann misstrauisch. „Sie können ihn zwar hierlassen, allerdings werde ich ihn ganz bestimmt nicht benutzen.“
    „Klar“, erwiderte Noah. „Also, was schauen Sie sich da gerade im Fernsehen an?“
    „Die
Andy-Griffith-Show“
, antwortete er.
    „Ach nein! Ich liebe diese Sendung. Haben Sie die Folge gesehen, in der Barney dieses Motorrad mit Beiwagen fuhr?“ Noah blieb nicht länger an der Tür stehen. Er betrat das Krankenzimmer und rückte sich einen Stuhl ans Bett des alten Mannes, wobei er ihm den Rosenkranz in die gichtigen Hände drückte.
    „Ja, hab ich. Kennen Sie die, in der er sich selbst in die Zelle gesperrt hat?“
    „Macht er das nicht alle paar Wochen?“, fragte Noah grinsend. „Wie sieht es mit der Folge aus, in der Tante Bea sich aus Versehen betrunken hatte? Haben Sie die auch gesehen?“
    „Otis, der stadtbekannte Alkoholiker – das ist ein Typ nach meinem Geschmack“, sagte der alte Mann.
    Es dauerte zwar eine Zeit, doch dann erfuhr Noah, dass der alte Mann Salvatore Salentino hieß und von allen nur Sal genannt wurde. Sie unterhielten sich noch ein bisschen über ihre Lieblingssendung, bis Sal zur Toilette musste und Hilfe brauchte. Danach sprachen sie über seinen alten Kombi, den er wahnsinnig vermisste, seit man ihn ins Pflegeheim gebracht hatte. Als Nächstes erzählte Sal von seiner erwachsenen Tochter, die aus den Bergen weggezogen war und nur selten zu Besuch kam, was ihn direkt zu seiner Abneigung gegen Computer brachte. Und zum Schluss fragte er Noah, ob er bald wiederkommen würde, da man ihn in den nächsten Tagen wieder ins Pflegeheim entlassen würde.
    „Wenn Sie mögen, kann ich gerne noch einmal vorbeikommen, Sal“, antwortete Noah.
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, meinte der alte Mann. „Aber denken Sie bloß nicht, Sie könnten einen verdammten Presbyterianer aus mir machen!“
    Noah lächelte. „Lieber Himmel, nein. Ich habe einfach nur schon lange niemanden mehr getroffen, mit dem ich Fernsehen gucken konnte.“
    An der alten Kirche war nicht viel zu retten. Die Kirchenbänke waren entfernt, die Einrichtung der Kirchenküche herausgerissen worden, Kanzel und Altar und Taufbecken verschwunden. Es war nichts mehr da – man hatte alles verkauft, bevor die Kirche geschlossen worden war. Immerhin gab es wenigstens noch dieses unglaubliche Kirchenfenster, ein faszinierendes, wertvolles Kunstwerk.
    Am Anfang seiner Aufräumarbeiten hatte Noah sich gleich als Erstes eine Leiter von Jack ausgeliehen und die Sperrholzplatte vor dem Fenster entfernt. Das Tageslicht enthüllte ein weitaus größeres und schöneres Kirchenfenster, als er gedacht hatte. Wie konnte sich eine arme Gemeinde so etwas leisten? Außerdem überraschte es Noah, dass dieses Fenster weder entfernt noch verkauft oder zu einer anderen Kirche gebracht worden war. Wann immer er zu diesem Fenster hinaufschaute, wusste er,
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