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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht
Autoren: Andrea Russo
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gegessen, die Wohnung ist geputzt und ich mache es mir vor dem Fernseher gemütlich. Es ist Samstagabend. Eigentlich sollte Jürgen jetzt bei mir sein und sich mein Jawort abholen, immerhin ist heute der 6. Dezember. Aber wahrscheinlich kniet er gerade vor Natascha Anastasia, und das mit meinem Ring, und wartet auf ihre Zusage. Wenn er Glück hat, nickt sie nur. Ihre Stimme ist wirklich schrecklich. Hoffentlich ist Natascha ordentlich anstrengend und hält ihn mit ihren Launen auf Trab. Schon komisch, wie sich innerhalb von nur dreißig Tagen das ganze Leben verändern kann.
    Ich strecke mich genüsslich auf der Couch aus. Sorgen muss ich mir keine mehr machen. Weder darüber, dass ich eventuell einen Anschiss bekommen könnte, weil ich wieder mal einen Film oder eine Sendung gucke, die meinem Intellekt nicht entspricht, noch darüber, dass Jürgen vielleicht einen Unfall gehabt haben könnte, weil er noch nicht zu Hause ist. Am Ende sitzt er ja wirklich gerade im Auto in irgendeinem Fluss fest und ersäuft? Aber das kann mir egal sein. Es ist nicht mehr mein Problem.
    Mir geht es gut und das obwohl – oder vielleicht gerade weil – ich ganz alleine bin. Der Terracottaanstrich wirkt unheimlich warm und gemütlich. Die Marokkanische Minze verströmt einen leichten, sehr angenehmen Duft. Bei Bruno scheint der leider noch nicht angekommen zu sein. Schade!
    Ich gucke mir Dirty Dancing an. Das läuft gerade im Fernsehen. Komisch, wenn einer meiner Lieblingsfilme ganz normal im Abendprogramm kommt, dann muss ich ihn mir unbedingt ansehen, obwohl ich auch die DVD gucken könnte. Eigentlich hasse ich auch die Werbepausen. Egal. Ich fiebere jetzt schon auf den Moment hin, wo Patrick Swayze, der coole Johnny, zu Frances Eltern geht, ihnen die Hand entgegenstreckt und sagt: »Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?«
    Irgendwie träumen wir eben doch alle von einem Ritter auf einem weißen Pferd oder eben von einem coolen Johnny, der allen auf der Welt klarmacht: Nichts könne ihn und sein Mädchen trennen! Ich für meinen Teil gehöre momentan nur mir selbst. Und das ist auch gut so.
    Als in der Werbepause das Telefon klingelt, ist mir sofort klar, dass das nur Maja oder Marie oder Lena sein können. Wäre es irgendein Typ, wie zum Beispiel Jürgen oder vielleicht sogar Bruno, dann hätte das Telefon bestimmt mitten im Film geklingelt. Aber dass Bruno mich anruft, ist sowieso total unwahrscheinlich, und außerdem läuft ja gerade Werbung.
    Es ist Marie. »Und?«, fragt sie nur.
    »Was, und?«
    »Na, wie geht es dir? Gibt es irgendwas Neues oder so?«
    »Was ist denn mit dir los? Mir geht es gut. Ach, ich habe heute Jürgen getroffen. Beim Einkaufen. Er heißt jetzt Hase!«
    »Das ist doch ausgesprochen niedlich! Wie hast du dich dabei gefühlt?«
    »Ganz gut. Seine Natascha Anastasia war auch dabei. Sie klaut übrigens.«
    »Die klaut?«
    »Ja, und sie hat eine ätzende Stimme. Aber das erzähl ich dir alles morgen. Der Film geht weiter.«
    »Okay, aber meld dich unbedingt, ja?«
    He, was ist denn mit der nur los? Hoffentlich ruft sie jetzt nicht jede Werbepause an und fragt, wie es mir geht. Heute läuft nämlich Wetten, dass ? auf dem anderen Programm. Da gibt es keine Pausen und ich kann zwischendurch mal rüberzappen und gucken, was die aktuelle Wette so macht. Immerhin gibt es für so was ja Fernbedienungen.
    Zapp! Thomas Gottschalk tanzt gerade Rock’n’Roll. Und das mit Alice Schwarzer! Wenn das Maja wüsste. Wie auf Kommando klingelt in diesem Moment das Telefon. Es ist prompt Maja. War ja klar.
    »Hallo Süße, wollte nur mal hören, ob es was Neues gibt.«
    »Was Neues? Ja, stell dir vor, ich habe meine Noten bekommen. Fünfzehn Punkte!«
    »Ich fass es nicht, Liebelein! Ich bin ja so stolz auf dich. Jetzt brauchst du dir keine Sorgen machen wegen der Mündlichen. Mit so einer Vornote kann dir jetzt nichts mehr passieren. Und sonst?«
    »Wie und sonst? Was ist denn nur los mit euch? Marie war eben auch schon so komisch am Telefon.« Im Telegrammstil erzähle ich ihr von dem Zusammentreffen mit Jürgen und seiner Liebsten im Supermarkt. »Mir geht’s gut, ehrlich! Lass uns morgen weiterquatschen. Dirty Dancing geht bestimmt schon weiter. Und schalt mal rüber zu Wetten, dass? …«
    Als ich auflege, springt Baby gerade direkt vom Baum in Johnnys Arme. Da klingelt es an der Tür. Und das am Samstagabend um zehn vor neun. Wer könnte das bloß sein, und noch dazu unangemeldet?
    Vor mir steht Frau Schneider aus dem
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