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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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auf. Mit ihr und ihrem Mann Karl-Heinz unternahmen Jürgen und ich die herrlichsten Wanderungen durch den Harz und den Solling, umrundeten mit dem Fahrrad die vielen Stauseen, erkundeten die romantische Studentenstadt Göttingen, gingen ins Theater, hörten Konzerte oder saßen an langen Sommerabenden einfach nur zusammen auf dem Balkon.
    Hildes Nachbarin streckte ihren Kopf über die Geranien und eröffnete mir, dass man bei der Gemeindehilfe dringend Arbeitskräfte suche.
    Ich bewarb mich für die Pflege Schwerstkranker, absolvierte einen Pflegekurs, bestand ihn mit Auszeichnung und arbeitete fortan beim mobilen Pflegedienst in Göttingen.
    Insgesamt betreute ich acht todkranke Patienten, die ich in ihrem Zuhause pflegte, bis sie starben. Keiner von ihnen musste in ein Heim oder in ein Hospiz.
    Ihr Tod ging mir sehr zu Herzen und ich weinte bitterlich, denn sie waren mir alle zu wertvollen Freunden geworden. Mein Jürgen stand die ganze Zeit zu mir und tröstete mich.
    »Geh doch wieder in einen Haushalt«, schlug er vor. Er wusste, dass ich unbedingt arbeiten und mich nicht von ihm durchfüttern lassen wollte.
    Also bewarb ich mich in einem Professorenhaushalt als Wirtschafterin und bekam die Stelle. Meine Koch- und Backkünste begeisterten die Göttinger Akademikerkreise, und auch wenn ich inzwischen eine etwas ältere Kaltmamsell war als damals in Reutlingen, machte ich mir auch hier wieder einen Namen.
    Vor einer Heirat scheute ich mich nach wie vor, wusste aber, dass Jürgen der Richtige war.
    Jürgen und ich waren inzwischen sieben Jahre lang zusammen. Sieben fette Jahre, wie Leo sich ausgedrückt hätte, waren es nicht. Aber sieben arbeitsreiche, wunderschöne, harmonische Jahre. Große Sprünge konnten wir uns nicht leisten, aber das wollten wir auch gar nicht. Wir waren einfach nur glücklich miteinander.
    An einem Sonntag hielt er mit Blumen und Sekt um meine Hand an. Und ich sagte endlich Ja.
    Jürgen hatte eine kleine kuschelige Wohnung gekauft, die wir uns gemütlich einrichteten. Am 6. Mai 1994 haben wir im engsten Familienkreis Hochzeit gefeiert, und ich habe es nie bereut. Denn Jürgen ist der liebste und fürsorglichste Ehemann, den man sich wünschen kann.
    »Schätzchen, lauf nicht zu weit! Nur bis zum Waldrand, damit ich dich noch sehen kann!«
    »Ja, Omi! Mach dir keine Sorgen! Ich bin schon groß!«
    »Komm her, Claudia, gib mir den Kleinen.« Ich strecke die Hände nach meinem vierjährigen Enkel aus. »Probier mal den Johannisbeer-Sahne-Kuchen!«
    »Oh, Schwiegermami, ich bin wieder schwanger und damit dick genug!«
    »Und? Wie geht es euch? Ist alles gut mit Bernd?«
    Ich lehne mich an die Wand unseres Blockhauses, das mitten in unserem wunderschönen Garten am Göttinger Stadtrand steht, und halte mein Gesicht in die tief stehende Sonne.
    Jürgen und Bernd sind mit den größeren Kindern im benachbarten Freibad. Gleich wird noch Thomas mit seinen Jungs dazukommen, und wir werden grillen.
    »Alles wunderbar, wirklich, Schwiegermami.« Claudia, die ihr drittes Kind erwartet, steht auf, legt die Hand vor Augen und schreit: »Ona, nicht so weit! Komm wieder, ja? Wir wollen dich noch sehen!«
    »Mami, macht euch keine Sorgen! Die Madina passt doch auf mich auf!«
    »Na hoffentlich«, sagt Claudia seufzend.
    »Und, wie ist euer Au-pair-Mädchen?«, frage ich. »Taugt sie was?«
    Claudia greift nun doch beherzt zur Kuchengabel und nimmt selig seufzend einen Bissen in den Mund.
    »Wo kommt die Kleine noch mal her?«, frage ich und beobachte das etwa 18-jährige dunkelhaarige Mädchen, das da oben am Waldrand mit Ona Verstecken spielt.
    »Kirgisien«, sagt Claudia mit vollem Mund. Jasper, mein vierjähriger Enkel, greift ebenfalls hungrig nach der Kuchengabel.
    »Madina kann noch nicht mal Fahrrad fahren«, teilt er uns verächtlich mit. »Das Au-pair-Mädchen von meinem Kindergartenfreund hat schon den Führerschein!«
    »Die ist ja auch aus Kalifornien«, sagt Claudia zu ihm und gibt ihrem naseweisen Sohn einen liebevollen Stups.
    »In Kirgisien ticken die Uhren langsamer«, sage ich nickend. Wie in Glatten an der Glatt, denke ich.
    »Sie ist noch etwas schüchtern und kann unsere Sprache noch nicht richtig, aber sie ist sehr lieb zu den Kindern.«
    »Sie wirkt klein für ihr Alter, findest du nicht?«
    »Ja, und viel zu mager ist sie auch.«
    Auch ich lege schützend die Hand über die Augen und schaue zum Waldrand, wohin Ona und Madina mit dem Kinderfahrrad mit den Stützrädern verschwunden
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