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Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen
Autoren: V.C. Andrews
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Krankenhaus war. Er war da, als Pa mit Stacie und dem kleinen Drake in sein eigenes Haus nach Georgia zurückkehrte. Er war da, als Großvater starb und mich in der Hütte, dem Haus meiner Kindheit, allein ließ, das ich nun renoviert und in ein gemütliches Heim verwandelt hatte. Er war da an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal die mir liebgewordenen Schüler der Grundschule von Winnerow unterrichtete. Jetzt mußte ich lachen, wenn ich an diesen ersten Tag dachte, an dem ich meine Fähigkeiten erprobt hatte, eine Lehrerin zu werden, wie ich es mir immer erträumt hatte.
    So wie an diesem Morgen und so, wie ich es seitdem jeden Morgen tat, war ich über die Schwelle der Hütte getreten, um einen Moment innezuhalten, mich in Großmutters alten Schaukelstuhl zu setzen und die Berge zu betrachten, ehe ich meinen langen Weg hinunter zur Schule antrat. Nur daß an jenem Morgen, als ich die Tür öffnete, Logan mit einem breiten, glücklichen Lachen an der Treppe stand. Seine dunklen Augen funkelten in der Morgensonne.
    »Guten Morgen, Miss Casteel.« Er verbeugte sich tief. »Man hat mich gebeten, Sie zu Ihrem Klassenzimmer zu geleiten.
    Das ist ein besonderer Dienst der Schulverwaltung von Winnerow.«
    »O Logan!« rief ich. »Du bist so früh aufgestanden, um mich hier abzuholen?«
    »So früh war das gar nicht. Um die Zeit stehe ich immer auf und öffne den Drugstore. Er ist jetzt dreimal so groß wie zu unseren High-School-Zeiten«, sagte er stolz, »und er macht viel mehr Arbeit. Bitte, Miss Casteel«, fügte er hinzu und reichte mir die Hand. Ich ging die Stufen hinunter, nahm seine Hand, und zusammen gingen wir den Bergpfad entlang –
    genau wie damals, als wir verliebte Schulkinder gewesen waren.
    Es war wirklich wie in früheren Tagen, als Logan und ich hinter Tom, Keith und Unserer-Jane hermarschiert waren, gefolgt von Fanny, die mit ihrem lockeren und lasziven Verhalten versuchte, Logan von mir fortzulocken, und die schließlich aufgab und davonrannte, wenn sie merkte, daß sie seine Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken konnte. Fast schon konnte ich die Stimmen meiner Geschwister hören. Die Erinnerung trieb mir die Tränen in die Augen.
    »Aber, aber«, sagte Logan, als er es bemerkte, »dies ist doch ein glücklicher Tag. Ich möchte dich lächeln sehen. Ich möchte das Echo von deinem Lachen durch die Berge hallen hören, so wie es früher war.«
    »O Logan, ich danke dir. Hab Dank, daß du da bist und dich um mich kümmerst.«
    Er blieb stehen, faßte mich bei den Schultern und drehte mich zu sich. Seine Augen blickten ernst und voller Liebe.
    »Nein, Heaven. Ich muß dir danken und zwar dafür, daß du so schön und liebenswert bist wie in meiner Erinnerung. Es ist, als ob« – er suchte nach Worten – »als ob die Zeit für uns stillgestanden und alles, was seitdem mit uns geschehen ist, nur ein Traum gewesen wäre. Jetzt wachen wir auf, du bist wieder da, und ich bin bei dir und halte deine Hand. Ich werde sie nie mehr loslassen«, betonte er.
    Ein Zittern lief durch meine Finger, die mit den seinen verschlungen waren; ein Beben des Glücks, das bis zu meinem Herzen strömte, so daß es klopfte wie damals, als ich zwölf Jahre alt war und er mich das erste Mal küßte. Ich wünschte, er würde mich jetzt küssen, und ich wäre wieder das gleiche unschuldige Mädchen von einst. Aber das war ich nicht, und er war auch nicht mehr der gleiche. Erst vor ein paar Monaten war das Gerücht aufgekommen, er habe die Absicht, Maisie Setterton zu heiraten. Aber Maisie hatte keine Bedeutung mehr für ihn, sobald ich aufgetaucht war.
    Schweigend gingen wir den Weg entlang. Rotkehlchen und braungefleckte Spatzen folgten uns; behende hüpften sie durch die Schatten des Waldes, ohne daß sich ein Zweig zu bewegen schien.
    »Mir ist klar«, sagte Logan nach einer Weile, »daß unser Leben sich sehr verschieden entwickelt hat seit damals, als ich dich von der Schule nach Hause begleitet habe. Unsere Versprechen wirken jetzt wie dumme Träume. Es wäre wunderschön, wenn unsere Liebe stark genug wäre, daß sie all die Schwierigkeiten und Tragödien überstanden hätte.«
    Wir blieben stehen und schauten einander an. Ich wußte, daß er die Zweifel in meinen Augen lesen konnte.
    »Logan. Wie gerne würde ich das glauben! Ich bin es müde, daß meine Träume sterben; Träume, die sich als Luftschlösser erweisen und wie Seifenblasen zerplatzen. Ich möchte wieder jemandem vertrauen können.«
    »O Heaven, vertrau mir«,
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