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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika
Autoren: Watzlawick Paul
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Kalender hat seine gewissen Tücken. Die Woche beginnt nämlich mit dem Sonntag, da in alttestamentarischer Sicht der Sabbath als der Ruhetag galt. Der Ausländer, für den Montag der erste Wochentag ist und der am siebenten Tage ruht, wird daher besonders beim Gebrauch von Monatskalendern – also Kalendern, die alle Tage eines Monats auf einem Blatt zeigen – leicht dazu neigen, in der Eile den Sonntag für Montag zu halten. 
    Ostermontag und der 26. Dezember gelten in den Vereinigten Staaten nicht als Feiertage; Pfingsten ist als Fest praktisch unbekannt, der betreffende Sonntag ist ein gewöhnlicher Sonntag, und vom Pfingstmontag hat noch niemand etwas gehört. Dasselbe gilt für kirchliche Feste wie Himmelfahrt, Fronleichnam und dergleichen. Neben Weihnachten, Neujahr und Ostern werden aber folgende offizielle Feiertage begangen: Martin Luther Kings Geburtstag am dritten Montag im Januar (seit 1984), Washingtons Geburtstag am dritten Montag im Februar, Memorial Day am letzten Montag im Mai, Independence Day am 4.Juli, Labor Day am ersten Montag im September, Columbus Day am zweiten Montag im Oktober, Veterans’ Day am 11. November, Thanksgiving Day am vierten Donnerstag im November.
    Columbus und Veterans’ Day sind nur behördliche Feiertage (es wird also zum Beispiel keine Post ausgetragen; viele Banken und Geschäfte bleiben aber geöffnet).
    Ein behördlicher, aber im ganzen Lande begangener Feiertag ist außerdem Halloween, am Abend des 31. Oktobers. Kostümierte und maskierte Kinder ziehen von Haus zu Haus, fordern von den Erwachsenen in großer Menge bereitgehaltene Süßigkeiten und spielen ihnen mehr oder minder harmlose Streiche.
    Der 14. Februar ist Valentine’s Day; da macht man seinem Schatz ein romantisches Geschenk – zumindest ein großes Schokoladenherz. Zur Ankurbelung der Wirtschaft gibt es schließlich auch in den USA einen Vater- und einen Muttertag und neuerdings sogar einen Großelterntag.
    Dem Europäer ungewohnt sind auch die angloamerikanischen Daten. Da man »October, the third«, »May, the eleventh« usw. sagt, schreibt man es auch so, das heißt entweder October, 3rd; May, 11th oder abgekürzt 10/3 beziehungsweise 5/11. Wenn Sie also auf das Datum 5/11/98 stoßen, dann hüten Sie sich vor der für den Europäer selbstverständlichen Annahme, daß es sich um den 5. November handelt. Wer transatlantischen Briefverkehr pflegt, ist daher längst zum Ausschreiben des Monatsnamens übergegangen, um diese Konfusion zu vermeiden. Interessanterweise verwenden die amerikanischen Streitkräfte dagegen das europäische System (die Folge von Tag, Monat, Jahr), wobei die ersten drei Buchstaben des Monatsnamens verwendet werden, also zum Beispiel 3 Jun 98. Dies gilt meist auch für den wissenschaftlichen Schriftstil. Auch auf dem Landeformular der Einwanderungsbehörde (Arrival Record, 1-94), das Sie im Flugzeug ausfüllen, wird bereits diese Schreibweise des Datums verwendet.
    Eine weitere Quelle von Konfusion ist die Numerierung von Stockwerken. Im Gegensatz zu Europa (nicht ganz unlogischerweise) heißt das Erdgeschoß first floor und ist im Aufzug daher auch mit der Nummer 1 bezeichnet, obwohl Sie dafür gelegentlich auch den etwas rätselhaften Buchstaben G (für ground floor) oder, im Hotel, auch die Bezeichnung lobby finden werden. Der amerikanische 2. Stock entspricht also unserem ersten, und so weiter. In Hochhäusern, vor allem in Hotels, gibt es vorsichtshalber meist keinen 13. Stock, da diese Zahl auch in den Staaten Unglück bringt.
    Und da wir beim Numerieren sind: Auch die fünf Finger an der Hand haben für die Amerikaner einen anderen Stellenwert. Die Zahl 1 wird averbal durch den ausgestreckten Zeigefinger der erhobenen Hand signalisiert; 2 durch Zeige- und Mittelfinger; 3 durch Beiziehung des Ringfingers und 4 durch alle Finger der Hand ohne den Daumen. Dieser kommt erst zum stummen Ausdruck der Zahl 5 mit ins Spiel. Wenn Sie also »auf europäisch« 3 (durch Ausstrecken und Hochhalten von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger) ausdrücken, so bedeutet das für den Amerikaner 2.
    Daß der Amerikaner mit Messer und Gabel anders als der Europäer hantiert, dürfte Ihnen bekannt sein und keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Beobachten Sie aber trotzdem Ihre eigenen Reaktionen, wenn Sie dieses Ritual des Ergreifens und Wiederhinlegens des Messers und des dauernden Wechsels der Gabel von der linken in die rechte Hand und zurück im großen Stile (und nicht nur bei ein paar
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