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Gebieterin der Finsternis

Titel: Gebieterin der Finsternis
Autoren: Joy Nash
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Zustand nützte ihre Magie ihr nichts.
    Das Ziffernblatt ihrer Uhr schimmerte mattgelb in der Dunkelheit, wie ein böses Auge.
    Fünf Uhr dreizehn. Um sieben Uhr fünfundzwanzig ging die Sonne auf und blieb exakt neun Stunden und fünf Minuten am Himmel. Insgesamt hatte Artemis also noch elf Stunden und siebzehn Minuten bis zu ihrer Verabredung. Eine Hand wanderte unwillkürlich zum Mondstein an ihrem Hals. Sie hatte einen zauberverstärkten Seiden-Platin-Beutel über das Amulett gestülpt, um die gestohlene Lebensessenz abzuschirmen, aber allein die Hülle um die Energie zu fühlen beruhigte sie. Zumindest ein bisschen. Bis Sonnenuntergang musste sie neue Lebensessenz für den Stein auftreiben, egal wie.
    Inzwischen war sie hellwach. Sie schaltete die Innenbeleuchtung des Wagens an und holte vorsichtig die Karte aus ihrem Beutel, die sie vorsichtig auf ihrem Schoß ausbreitete. Auf den ersten Blick schien sie zu sein, als was Artemis sie gekauft hatte: eine simple Straßenkarte der Highlands, wie sie von Tourismusbüros ausgegeben wurden. Ein kurzer geflüsterter Zauber – diesmal nur Lebensmagie – verwandelte das Papier in etwas anderes.
    Lichtlinien zogen sich über die Karte wie ein Spinnennetz, das von einer betrunkenen Spinne gewoben wurde. Grüne Punkte tauchten in regelmäßigen Abständen auf. Elfendörfer. Alle Dörfer, die sie bestohlen hatte.
    Und neben jedem hatte sie Datum, Zeit sowie Energie notiert. Die Lebensessenzwerte waren phantastisch hoch, und dabei waren ihre Schätzungen noch niedrig angesetzt. Highland-Elfen waren enorm magisch und langlebig, wobei ihreMagie umso stärker wurde, je weiter nördlich sie lebten. Manche Hexen glaubten, es käme daher, dass sie so nahe an den Pforten Annwyns wohnten, die angeblich irgendwo an der Nordseeküste bei Inverness waren. Artemis wusste nicht, ob das stimmte, aber nirgends sonst auf der Welt war die Lebensessenz derart konzentriert. Deshalb war sie ja nach Schottland gekommen. Mit der richtigen Mischung aus Lebens- und Todesmagie war es ihr hier gelungen, die überschüssige Elfenenergie in den Mondstein zu saugen.
    Binnen vier Monaten hatte sie siebenundzwanzig Elfensiedlungen Lebenessenz abgenommen. Nein, sechsundzwanzig. Die letzte konnte sie nicht mitrechnen. Deshalb musste sie ein anderes Dorf finden, und das schnell. Sie beugte sich suchend über die Karte. Vier mögliche Stellen hatte sie bereits markiert. Eine befand sich in der Nähe, keine halbe Stunde Fahrt nach Westen entfernt. Dort würde sie als Erstes hinfahren. Hoffentlich irrte sie sich nicht.
    Sie notierte sich die Straßen, die zu dem Dorf führten. Sobald sie fertig war, rollte sie die verspannten Schultern und stöhnte. Nachdem sie den Zauber der Karte wieder gelöst hatte, verblassten die leuchtenden Linien, bis nichts mehr als die roten und blauen Markierungen der Menschenstraßen blieben. Hatte sie erst alles, was sie brauchte, musste sie die Karte verbrennen. Die Göttin allein wusste, was geschah, wenn die Informationen, die Artemis gesammelt hatte, in die falschen Hände gerieten.
    Sie faltete die Karte zusammen, steckte sie in ihren Beutel zurück und schaltete die Innenbeleuchtung aus. Am Osthorizont war alles noch dunkel, zumal dichte Regenwolken den Himmel bedeckten. Aus der hinteren Wagentür stieg Artemis hinaus ins feuchtkalte Dämmerlicht, das typisch für einenHerbstmorgen in den Highlands war. Nieselregen ergoss sich aus den bleiernen Wolken, als wäre noch zu entscheiden, ob es einen richtigen Guss geben sollte oder nicht.
    Beim Berühren des Fahrertürgriffs überkam Artemis ein leichter Schwindel, so dass für einen Augenblick alles vor ihren Augen verschwamm. Wann hatte sie zuletzt etwas gegessen? Ach ja, gestern Morgen, den Schokoriegel. Danach nichts mehr.
    Blöd. Blöd. Blöd. Nicht zu schlafen und zu essen war der sicherste Weg, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Das konnte sie sich nicht leisten. Ihre innere Balance stand an allererster Stelle. Sie war der Schlüssel zu Artemis’ Macht. Vernachlässigte sie die, könnte sie ebenso gut nach Hause zurückkriechen und sich geschlagen geben.
    Sie stieg in den Wagen, bog auf die Straße zurück und umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen, um dem Impuls zu widerstehen, sich am rechten Rand zu halten. Auch nach vier Monaten hatte sie sich noch nicht mit dem Linksverkehr angefreundet. Trotzdem trat sie aufs Gas und raste durch ein stockdusteres Dorf.
    In der Kleinstadt ein Stück weiter drosselte sie das Tempo,
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