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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition)
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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aufmerksam. Nicht nur im Sport, sondern generell. Die Schule hat mir Spaß gemacht, ich hatte sehr gute Noten und kümmerte mich am Nachmittag um die Hausaufgaben. Ich bin gerne mit Zahlen umgegangen, Mathematik hat mich am meisten fasziniert. Auch heute noch. Ich brauche keinen Taschenrechner oder Kugelschreiber, um Zahlen zu multiplizieren oder zu subtrahieren. Ich konnte immer Netto und Brutto unterscheiden und im Kopf mal eben die Steuer ausrechnen. Dabei half mir im Übrigen auch der Aushilfsjob in der Kantine von Puma, wenn ich meinen Vater beim Verkauf unterstützen und das Wechselgeld passend rausgeben musste.

EHRLICH WÄHRT AM LÄNGSTEN
    Lebensmottos oder kluge Weisheiten haben meine Eltern nie ausgegeben, vieles blieb unausgesprochen. Denke ich aber über Leitsätze nach, die uns vermittelt wurden, dann könnten es die folgenden gewesen sein:
    Man muss ehrlich sein!
    Wir müssen uns gegenseitig unterstützen!
    Wir müssen nach vorne schauen!
    Ja, ganz sicher, diese Prinzipien wurden mir vorgelebt; sie haben mich geprägt.
    Mein Vater hat immer geradeheraus gesagt, was er dachte, mit seiner Ehrlichkeit hat er uns durchaus das ein oder andere Mal vor den Kopf gestoßen. Ich gehe davon aus, dass er auch auf der Arbeit nicht nur Freunde hatte. Denn er sagte seine Meinung immer offen und klar. Gleichzeitig konnte jeder zu ihm kommen, wenn er ein Problem hatte.
    So ein Mensch bin ich auch. Ich bin immer den ehrlichen, den geraden Weg gegangen, und ich erwarte das auch von meinen Mitmenschen. Wenn jemand ehrlich und korrekt zu mir ist, würde ich meinen letzten Groschen für ihn geben – egal, was in der Vergangenheit vorgefallen ist. Ich bin in der Lage, zu verzeihen und meinen Gegnern versöhnlich die Hand zu reichen.
    Andererseits weiß ich auch, dass Ehrlichkeit nicht immer der richtige Weg ist, um weiterzukommen. Meine Ehrlichkeit stand mir oft im Wege, weil ich zu ehrlich war. Doch lieber bin ich ehrlich und dabei mit mir im Reinen, als dass ich mich wie manch anderer hinterlistig hochkämpfe und dabei über Leichen gehe.

DIE SACHE MIT DER KIRCHE
    Obwohl in der Wohnung meiner Eltern ein Jesuskreuz hing, war es mit ihrer Religiosität nicht so weit her, dass sie jeden Sonntag in die Kirche gingen. Stattdessen schickten sie meinen Bruder und mich. Es gab keine Begründung, sondern nur die Anweisung: »Ihr geht am Sonntag um zehn Uhr in die Kirche!« Ende der Durchsage. Wir mussten uns fein machen, weißes Hemd, grauer Anzug, rote Fliege und geputzte schwarze Schuhe, dann machten wir uns mit je einem Groschen für den Klingelbeutel auf den Weg in die Messe. Wir Kinder konnten mit der Kirche aber auch nicht viel anfangen. Und so steckten wir die beiden Groschen ein ums andere Mal in den Kaugummiautomaten und gingen Fußball spielen. Um das zu vertuschen, holten wir uns am Ende irgendwoher Wasser und putzten die verdreckten Schuhe. Nicht immer gelang uns die Täuschung.
    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals zu viert in der Kirche gewesen wären, selbst Weihnachten nicht. Auch an diesem hohen Feiertag bin ich immer mit meinem Bruder alleine hingegangen, wobei wir die Christmette gerne mal unterbrachen, um in der Pizzeria ein Bier zu trinken.
    Vielleicht, könnte man jetzt spekulieren, ließen uns die Eltern allein in die Kirche gehen, weil sie sich dachten: »Geht hin und findet heraus, wie sehr die Botschaften und die Energien auf euch wirken!« Nein, in Wirklichkeit war es viel banaler. Meine Mutter wollte einfach in Ruhe das Mittagessen vorbereiten. Sie hat ja immer frisch gekocht und nie irgendeine Fertigware aus dem Supermarkt auf den Tisch gestellt. Sonntags fing sie schon um acht Uhr damit an, für die Knödel die Kartoffeln zu reiben. Und mein Vater hat ihr dabei geholfen.
    Natürlich habe ich als junger Mensch sämtliche Kirchenrituale mitgemacht, niederknien, aufstehen, sitzen, niederknien, aufstehen, sitzen, diese ganze Litanei. Aber eher rein mechanisch. Ich denke, dass jeder selbst entscheiden muss, was er daraus mitnimmt. Mich hat das Ganze eher kaltgelassen und nicht dazu animiert, am nächsten Wochenende mit Neugier oder gar Spaß in die Kirche zu gehen. Die Predigten waren mir zu abstrakt. Erstens verstand ich die theologischen Anspielungen nicht wirklich, zweitens wurden unsere Eindrücke ja auch nicht zu Hause mit den Eltern nachbereitet. Und in einem Alter, in dem ich es hätte begreifen können, bin ich nicht mehr in die Kirche gegangen.
    Bis heute aber habe ich mir die
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