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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin
Autoren: James Clavell
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wichtig?«
    »Das war wichtig.« Canterbury lächelte verkniffen zu Tyrer hinüber, der sofort begriff: Du bist ein verdammter Idiot, einer Dame etwas Wichtiges mitzuteilen! »Aber das war eine einzelne Bande von Halsabschneidern. Die Shōgunats-Bürokratie hat geschworen, daß sie sie schnappen und bestrafen wird.«
    Sein Ton klang überzeugend, aber er fragte sich, wie weit Struan und Tyrer von der Wahrheit unterrichtet waren: im ersten Jahr fünf Männer auf den Straßen von Yokohama ermordet; im folgenden Jahr ein Offizier und ein Matrose, beides Russen, zu Tode gehackt; ein paar Monate später zwei holländische Kaufleute; dann der junge Dolmetscher an der britischen Gesandtschaft in Kanagawa von hinten erdolcht und liegengelassen, bis er verblutet war; Heusken, der Sekretär der amerikanischen Gesandtschaft, in zwölf Stücke zerhackt, als er nach einem Dinner in der preußischen Gesandtschaft nach Hause fuhr; und letztes Jahr ein britischer Soldat und Sergeant vor dem Schlafzimmer des Generalkonsuls niedergestochen!
    Jeder Mord geplant und nicht provoziert, dachte er zornig, und begangen von einem Zweischwertkämpfer. Kein einziges Mal sind sie vorher provoziert worden – und, viel schlimmer noch, kein einziges Mal ist je so ein Bastard von der allmächtigen Bakufu des Shōgun erwischt und bestraft worden, so sehr die Gesandtschafts-Oberhäupter auch Zeter und Mordio geschrien und so viel die Japse uns auch versprochen haben. Unsere Vorgesetzten sind ein Haufen verdammter Idioten! Sie hätten sofort die Flotte herbeikommandieren und Edo dem Erdboden gleichmachen lassen sollen, dann hätte es endgültig ein Ende mit diesem Terror, wir könnten ohne Wachtposten sicher in unseren Betten schlafen und ohne Angst auch dann auf die Straße gehen, wenn Samurai in der Nähe sind. Diplomaten sind Arschkriecher, und dieses junge Plappermaul ist ein perfektes Exemplar davon.
    Stirnrunzelnd musterte er die Banner, versuchte die Schriftzeichen zu enträtseln. Sobald die Kolonne vorübergezogen war, rappelten sich die Reisenden wieder auf und setzten ihren Weg fort. Jene, die in dieselbe Richtung wollten wie der Zug, folgten ihm in respektvollem Abstand.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, sie selbst, vier Personen, hoch zu Pferde über den unregelmäßigen Reihen der knienden Gestalten an beiden Straßenrändern, den Kopf im Staub, den Hintern in die Höhe gereckt. Die drei Männer, verlegen, weil sie dabei war, sie ebenso verlegen wie die Männer, versuchten diese Nacktheit zu ignorieren.
    Unerbittlich rückten die Reihen der Samurai-Banner näher. Es waren zwei Abteilungen, jede etwa einhundert Mann stark, dann weitere Flaggen und dichte Reihen, die eine schwarzlackierte, von acht schwitzenden Männern getragene Sänfte umringten. Dahinter noch einmal Banner und Samurai, anschließend weitere Packpferde und zuletzt eine bunte Menge schwer beladener Lastträger. Alle Samurai trugen graue Kimonos mit demselben Emblem – drei übereinandergreifende Päonien –, das auch auf den Bannern prangte. Dazu unter dem Kinn gebundene Strohhüte sowie zwei Schwerter im Gürtel, ein kurzes, ein langes. Einige trugen Pfeile und Bogen über der Schulter, einzelne sogar Vorderlader. Manche waren kostbarer gekleidet als die anderen.
    Die Kolonne rückte näher.
    Mit wachsendem Schrecken sahen Struan und die anderen, was in allen Blicken geschrieben stand, die sich auf sie richteten: Wut. Struan war der erste, der den Bann brach. »Ich denke, wir sollten uns lieber ein Stück zurückziehen …«
    Bevor sich jedoch einer von ihnen rühren konnte, löste sich ein junger, breitschultriger Samurai aus den Reihen und kam, dicht gefolgt von einem anderen, auf sie zugestürmt, um sich zwischen ihnen und der herankommenden Sänfte aufzubauen. An seiner Wut beinahe erstickend, schleuderte der erste sein Banner zu Boden und versuchte die Fremden laut brüllend zu verscheuchen, konnte sie mit seinem plötzlichen, flammenden Zorn jedoch nur lähmen. Die Kolonne stockte, nahm dann ihren Gleichschritt wieder auf und zog weiter an ihnen vorbei. Die Knienden rührten sich nicht. Nun aber lastete eine schwere, unheimliche Stille über ihnen, durchbrochen nur vom Geräusch der marschierenden Füße.
    Wieder begann der Samurai sie zu beschimpfen. Canterbury war ihm am nächsten. Krank vor Angst gab er seinem Pferd die Sporen, das sich jedoch, entgegen seiner Absicht, der Sänfte zudrehte statt von ihr fort. Sofort riß der Samurai das Schwert aus der
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