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Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht!
Autoren: Grafit
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machten die Säcke in ihren Nobelschlitten Augen. Wie er, Marc Schwendtker, Sachbearbeiter bei einer Versicherung und nicht übermäßig groß gewachsen, die Angeber mit seiner Schrottkiste einfach abhängte, ihnen zeigte, wo der Hammer hing.
    Das waren die geilsten Momente. Momente, die den Tag und den Abend retteten, wenn im Büro mal wieder einiges schiefgelaufen war. Wenn er einen Fall vergurkt und einen Anschiss bekommen hatte. Wenn die Zicken in seiner Abteilung über ihn tuschelten und kicherten. Er sah es ihren Gesichtern an, was sie dachten. Marc mal wieder. Baut ständig Mist. Kriegt nie eine Frau ab. Der kleine Marc.

    Das Lenkrad steckte einen Faustschlag ein. Er hasste dieses Gekichere. Jessica war die schlimmste. Aber auch die heißeste Schlampe in der ganzen Verwaltung. Unendlich lange Beine, knackiger Hintern, reichlich Vorbau, blonde Haare, die sich in Locken bis zur Taille kringelten, rote Lippen und immer perfekt geschminkt. Mein Gott, für eine Nacht mit dieser Frau würde er sterben.
    Natürlich hatte er es versucht. Warum auch nicht? War locker zu ihr hinübergeschlendert und hatte sie gefragt, ob sie mal mit ihm essen gehen wolle. Als Antwort hatte er ein mitleidiges Lächeln kassiert. Tut mir leid, Marc. Bis Weihnachten bin ich ausgebucht. Und nächstes Jahr wahrscheinlich auch. Blöde Kuh! Was bildete die sich ein! Machte jeden Typen an, der ihr auf dem Flur begegnete, klapperte mit den Augenlidern und lächelte süß. Ob verheiratet oder nicht, da kannte sie keine Gnade. Auch nicht beim Chef. Er hatte es zufällig beobachtet. Auf dem Parkplatz. Der Chef dachte wohl, die Tür seines Vans würde sie schützen. Die Finger des alten Bocks steckten unter Jessicas Pullover und sie hatte sich an ihn gelehnt und mit ihrer Hand …
    Marc schlug wild auf das Lenkrad ein. Stau. Der Verkehr machte ihn noch verrückt.
    Alle, alle hatten eine Chance bei Jessica. Nur ihn, Marc Schwendtker, behandelte sie wie einen lästigen Aknepickel. Eine Stunde nachdem Jessica ihn hatte abblitzen lassen, wusste es das ganze Büro. Der Neue mit dem Muckibudenoberkörper hatte überheblich gegrinst und die linke Augenbraue hochgezogen. Und Martha, ausgerechnet die dicke Martha, die niemand auch nur mit der Kneifzange anfassen würde, hatte nicht an sich halten können, wollte ihm ein paar schlaue Tipps geben. Kauf dir endlich mal schickere Klamotten! Du siehst ja aus, als hätte dich deine Mutti eingekleidet. Und ein neues Auto. Welche Frau möchte denn in so eine Schrottmühle steigen?
    Mit den Klamotten hatte Martha vielleicht nicht ganz unrecht. Aber seinen alten Golf würde er nicht abgeben. Dazu hatte er zu viel in den Motor investiert. Um auf der Autobahn richtig Alarm machen zu können.
    Heute zum Beispiel. Schon beim ersten morgendlichen Blick in den Spiegel wusste er, was kommen würde. Das Gesicht aufgedunsen und rot wie ein Luftballon, weil er gestern in den Wallanlagen eingeschlafen war. Wochenende, Sonne, ein paar Bierchen unterwegs. Kann passieren, dass man wegnickt. Als er aufgewacht war, hatte die Haut gespannt. Und jetzt sah er aus wie ein Engländer auf Ibiza. Die Kommentare waren entsprechend, als er durch das Großraumbüro zu seinem Schreibtisch ging: Na, Marc, den Kopf in den Toaster gesteckt? Oder hast du den Deckel von der Sonnenbank nicht wieder aufgekriegt?
    Und dann der Anruf vom Chef. Kommen Sie mal bitte zu mir, Herr Schwendtker! Die Stimme eisig. Ihm war sofort der Schweiß ausgebrochen. Ohnehin fühlte er sich heiß, irgendwie fiebrig vom Sonnenbrand.
    Auf dem Schreibtisch des Chefs lag der Vegesack-Fall. Offenbar hatte er was vermasselt. Er hörte kaum, was der Chef sagte. Blätterte durch die Akte, spulte sein Standardschleimprogramm ab: Kein Thema. Ist schon in Arbeit.

    Aber der Chef hörte nicht auf, ihn anzuscheißen, verwies auf die Abmahnung, die er bekommen hatte, stellte die nächste in Aussicht, drohte mit dem endgültigen Rauswurf.
    Der anschließende Spießrutenlauf durch das Büro. Die Frauengruppe mit Jessica und Martha am Kopierer, die plötzlich verstummte, als er in Hörweite kam, und laut losprustete, als er sich einige Meter entfernt hatte. Es war die Hölle, Hölle, Hölle.
    Nach Feierabend konnte er nicht anders. Er musste einfach raus auf die Autobahn, mit zweihundertfünfzig Sachen alles von der linken Bahn scheuchen, was ihm in den Weg kam. Aber heute hatte nicht einmal das geholfen. Er war immer noch wütend, verdammt wütend.
    Vor der Innenstadt bog er rechts ab.
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