Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer, Dein Dad

Für immer, Dein Dad

Titel: Für immer, Dein Dad
Autoren: Lola Jaye
Vom Netzwerk:
reine Albtraum, und der wurde nur noch dadurch getoppt, dass Granny Morris ihre gesamten Kräfte zusammenraffte und mich zu einem Blues auf die Tanzfläche zerrte! O Grauen! Mit Granny Morris zu tanzen erinnerte mich an eine Szene aus diesen Horrorfilmen, die Mum mich nie sehen ließ, die aber nebenan bei Carla und Corey liefen – nur war es viel, viel schlimmer!
    Endlich gelang es mir, der nächsten «Ich erinnere mich noch ganz genau, als du soooo klein warst»-Geschichte zu entkommen. Als ich gerade auf dem Weg zu Carla und Corey war, um mich mit ihnen zu verkrümeln, tauchte plötzlich zwischen all den bunten Luftballons, Luftschlangen und dem «Ententanz» ein neuer Gast auf.
    Sie war wunderschön, ihr schwarzes Haar floss über den schmalen Rücken wie ein schimmernder Teppich. Anders als Mum ihren missglückten Vorstoß in die Welt der Mode trug diese Dame ein schlichtes, geblümtes Etuikleid und einen runden Hut. Er stand wie ein Vollmond über ihrem schönen Gesicht. Sie lächelte mich an, und augenblicklich hob sich meine Laune.
    Dann kam sie auf mich zu, und mir wurde auf einen Schlag klar, dass sie meine Tante Philomena war – die Schwester meines
richtigen
Vaters. Dass sie hier auftauchte, war eine echte Überraschung, zumal ich sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Statt also rauszugehen, um die Top Vierzig der Hitparade mit meinen Freunden durchzuhecheln, stand ich vor meiner glamourösen Tante und wartete darauf, dass mein Gehirn einen intelligenten Satz hervorbrachte.
    «Hallo, Lois.»
    «Hallo», gab ich zurück und hörte mich an wie eine Idiotin.
    «Du siehst sehr hübsch aus.»
    Ich starrte ihre üppigen Lippen an, die wirkten, als gehörten sie einem Fotomodell in einer Illustrierten, und fragte mich: Benahm sie sich wie er? Lachte sie wie er? Dachte wie er? Ich erinnerte mich nur an ein paar wenige Eigenschaften meines Vaters. An unwichtige Kleinigkeiten, wie den Leberfleck genau unter seinem rechten Auge.
    «Tante Philomena?»
    «Also erinnerst du dich an mich! Ich war mir nicht so sicher. Aber es freut mich! Es freut mich sogar sehr.»
    «Nein, also, GENAU erinnere ich mich nicht an dich   …», entgegnete ich irritiert. Natürlich erinnerte ich mich an sie. Anders als Dads jüngere Schwester Ina rief mich Tante Philomena jedes Jahr ein paar Mal an – meistens zum Geburtstag und an Weihnachten. Sie schickte mir sogar ab und zu eine uncoole Bluse oder Fotos. Einmal war es sogar ein Stück Gewürzkuchen gewesen, das sie sorgfältig in Alufolie gewickelt hatte. Ein Besuch wäre vermutlich hygienischer gewesen. Aber abgesehen davon, dass mich Mum jedes Jahr für ein paar Tage zu Granny Bates schickte, hatte ich nicht besonders viel Kontakt zu meiner Verwandtschaft väterlicherseits. Und das war auch o.   k. so. Wirklich, das war es   … ist es.
    Ich ließ meine Fingerknöchel knacken.
    «Es tut mir leid», sagte sie.
    «Was tut dir leid?», fragte ich gleichmütig.
    «Dass ich so selten komme. Ich wohne ziemlich weit weg. Und die Kinder   …»
    Ich unterdrückte ein Gähnen. Die Rüschen meines bescheuerten Kleides juckten an den Knien. Sie winkte mich hinaus, weg von all den Leuten – und dankenswerterweise auch vom Anblick meiner Großtante Elizabeth, die ihre erheblichenHüften zu «Let’s Twist Again» durch den Raum schwang.
    Die einzige Bank, die wir fanden, war voller Vogelkacke, aber mir war das egal. Mein Kleid konnte dadurch auch nicht mehr hässlicher werden. Ich überlegte, was Corey und Carla wohl gerade machten.
    «Ich muss mit dir reden», sagte Tante Philomena, die bei näherer Betrachtung gelbliche Zähne hatte.
    «Mit mir reden? Mit mir? Über was denn?» Ich quiekte fast, damit es sich anhörte, als wollte ich es
unbedingt wissen
. Aber das wollte ich gar nicht. Oder fast nicht. Na gut, ein kleines bisschen wollte ich es schon. Besonders, weil jeder Erwachsene, der sonst das Wort an mich richtete, mich bloß über Schularbeiten ausfragte (Lehrer) oder an mir herumnörgelte (Mum, Lehrer).
    «Ich habe da etwas für dich, Lois   … Und es ist wirklich, wirklich wichtig.»
    «Aha   …» Ich setzte mich auf meine Hände. Damit wollte ich verhindern, dass ich vor Neugier platzte. Geduld, wie die Erwachsenen sie pausenlos predigten, war nämlich nicht meine Stärke.
    Ich bekam langsam Angst, vor allem, als sie anfing, mich so komisch anzusehen. Dann umklammerte sie mit ihren manikürten Fingern so fest meine linke Hand, dass ich schon dachte, sie würde mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher