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Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)

Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)

Titel: Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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Schräg gegenüber parkte eine 650er Suzuki Savage, die sich anscheinend unser Nachbar neu angeschafft hatte. Sie war schon älter, sah aber einfach perfekt aus.
    Meine Stimmung besserte sich schlagartig. Ich liebte Motorräder. Neugierig ging ich näher an mein Fenster heran und betrachtete die Maschine eingehend. Bald, sehr bald schon, würde auch mir ein solcher Cruiser gehören. Das wusste ich. Die Führerscheinprüfung hatte ich sowohl fürs Auto als auch fürs Motorrad vor einigen Wochen bestanden und Gerti hatte meine Fahrerlaubnis gestern vom Amt abgeholt. Ich brauchte nur einen Ferienjob für das nötige Kleingeld, aber der würde nicht schwer zu finden sein.
    Schlaftrunken stapfte ich die Treppe hinunter und ließ das Bild auf mich wirken, wie meine Oma und ihre beiden Schwestern den Tisch deckten.
    Tante Bärbel war die Kleinste und Älteste. Sie trug eines ihrer maßgeschneiderten Kostüme und zupfte gerade an ihrem knallbunten Halstuch aus Seide herum. Sie musste zuhause eine ganze Truhe voll von diesen Dingern haben. Ich hatte sie noch nie zweimal mit dem gleichen Tuch gesehen.
    Sie war längst im Rentenalter, hatte aber nie gearbeitet. Getreu ihrem eigenen Lebenskonzept hatte sie sich beizeiten einen älteren, gut situierten Zahnarzt gesucht, ihn geheiratet und ihren Mann als Frau Doktor durch sein ereignisloses Leben begleitet.
    Mittlerweile war Peter, ihr Mann, richtig alt und erkannte sie nur an guten Tagen. Und die wurden immer seltener. Doch Tante Bärbel schuf sich einfach ihre eigene Realität. Mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen erzählte sie uns von ihrem lieben Peter, der aus irgendwelchen Gründen zuhause in Neustadt bleiben musste. Sie war vollkommen von ihren Geschichten überzeugt.
    Manchmal beneidete ich sie um diese Gabe, unangenehme Dinge einfach auszublenden. Mir gelang das nicht.
    Tante Karin war die jüngste der drei Schwestern und das krasse Gegenteil von Tante Bärbel – nicht nur, was ihr Äußeres betraf, denn sie war eher groß und drahtig.
    Sie hatte immer gearbeitet und allein für ihren Unterhalt gesorgt. Seit mehr als zwanzig Jahren lebte sie unverheiratet mit ihrem stinkreichen Partner zusammen, der sich selbst ihr Lebensabschnittsgefährt e nannte. Sie erzählte nur wenig von ihm, dafür umso mehr von ihrer alten Katze, die mittlerweile halb blind war und Diabetes hatte.
    Mein Blick fiel auf Gertis Gepäck, das im Flur stand. Sie war abreisebereit.
    „Guten Morgen“, krächzte ich in die Runde. Ich räusperte mich, denn ich fühlte mich nicht nur wie ein Zombie, ich klang auch wie einer.
    Was nun folgte, war unausweichlich und ließ mir keine Zeit, mich weiter mit meinem körperlichen Befinden auseinanderzusetzen. Meine beiden Tanten fielen regelrecht über mich her. Ich wurde umarmt, gedrückt und geherzt. Mindestens hundertmal musste ich mir anhören, wie groß ich geworden sei und wie erwachsen ich aussähe.
    Geduldig ließ ich die Prozedur über mich ergehen – mir blieb ohnehin nichts anderes übrig.
    Gemeinsam setzten wir uns an den Esstisch, wo ich nicht gerade damenhaft eine Riesenschale Müsli mit frischen Erdbeeren aus dem Garten herunterschlang, die Tante Karin zusammen mit einem starken Kaffee für mich zubereitet hatte.
    Schließlich zauberte meine Oma eine Flasche Champagner hervor, die sie stilecht in einen silbernen Sektkühler voller Eis platzierte. Der Kühler war beschlagen. Kleine Kondenswasser-Perlen hafteten an ihm.
    Tante Karin schenkte fachmännisch vier edle Gläser ein und reichte sie uns. „Auf unsere Lilith!“- wir prosteten uns zu.
     „Jetzt bist du volljährig.“ Tante Bärbels Stimme klang ein wenig sonderbar in meinen Ohren nach. „Für dich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Und weißt du was, Lilith? Du allein besitzt den Schlüssel für das Tor zu deiner Zukunft. Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass all deine geheimen Träume in Erfüllung gehen.“
    Während sie sprach, hatte ich meine Hand auf das Metall des Sektkühlers gelegt und Muster in die Tautropfen gemalt. Mit einem Mal spürte ich fast schmerzhaft Feuchtigkeit und Kälte unter meinen Fingerspitzen. Der alles erstickende Nebel kroch in mein Herz, klammerte sich an mich, riss mich in bodenlose Tiefen hinab. Fast meinte ich, ihn vor mir aufsteigen zu sehen.
    Ich zog meine Hand zurück, als hätte ich mich verbrannt. Genauso fühlten sich die Eisenstäbe des Tores an, an denen ich in meinem Traum rüttelte, um vor meinem Verfolger zu fliehen.
    Um meinem Tod
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