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Fünf Wochen im Ballon

Fünf Wochen im Ballon

Titel: Fünf Wochen im Ballon
Autoren: Jules Verne
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Schlangenrohr in Verbindung standen. Es gelang Joe, die Kautschukglieder einige Fuß über der Gondel abzuschneiden, aber mit den Röhren ging das nicht so leicht, denn diese waren mit ihrem obern Ende an dem Kreise des Ventils durch Messingdrähte befestigt.
    Nun entfaltete Joe eine wirklich staunenswerthe Geschicklichkeit; er kletterte, um die Hülle nicht zu ritzen, mit nackten Füßen, trotz aller Schwankungen, mit Hilfe des Netzes bis an die äußere Spitze des Luftschiffes, und dort machte er nach Ueberwindung von tausend Schwierigkeiten, und indem er sich mit einer Hand an die glatte Oberfläche klammerte, die äußern Scheiben, welche die Röhren hielten, los. Letztere ließen sich nun leicht beseitigen und wurden durch den untern Fortsatz des Ballons weggezogen, welcher vermittelst eines starken Bundes wieder hermetisch geschlossen wurde.
    Der Victoria , von diesem beträchtlichen Gewichte befreit, richtete sich wieder in die Luft und spannte das Ankertau straff an.
    Nach großen Anstrengungen wurden diese Arbeiten um Mitternacht endlich beendet und man nahm eilig ein aus Pemmican und kaltem Grog bestehendes Mahl ein. Der Doctor konnte Joe keine Hitze mehr zur Verfügung stellen.
    Kennedy wie Joe waren so ermüdet, daß sie sich fast nicht mehr aufrecht halten konnten.
    »Geht zur Ruhe, meine Freunde, sagte Fergusson; ich will bis zwei Uhr die Wache übernehmen und mich dann bis vier Uhr von Kennedy ablösen lassen. Joe kann dann noch von vier bis sechs Uhr wachen, und um diese Zeit wollen wir aufbrechen. Möge der Himmel während dieses letzten Tages noch über uns wachen!«
    Ohne sich viel bitten zu lassen, streckten sich die beiden Gefährten des Doctors auf dem Boden der Gondel aus und schliefen alsbald fest ein.
    Die Nacht verging friedlich; einige Wolken zerflossen im sanften Schein des letzten Mondviertels, dessen unbestimmte Strahlen die Dunkelheit kaum durchbrachen. Fergusson, auf den Rand der Gondel gestützt, ließ seine Blicke umherschweifen; aufmerksam überwachte er den düstern Blättervorhang, der sich ihm zu Füßen ausbreitete und ihm die Aussicht auf den Erdboden entzog. Das geringste Geräusch schien ihm verdächtig und mit gespanntem Ohr horchte er sogar auf das leichte Säuseln der Blätter.
    Er befand sich in jener durch die Einsamkeit noch erhöhten Stimmung, in welcher unbestimmte Schreckbilder im Gehirn aufsteigen. Am Ende einer solchen Reise, nachdem er so viele Hindernisse überwunden hatte und nun endlich auf dem Punkte stand, das Ziel zu erreichen, waren seine Befürchtungen lebhafter, seine Geistesregungen gewaltsamer; er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß noch jetzt der Vollendung seiner Reise unüberwindliche Gefahren entgegenständen. Uebrigens hatte die gegenwärtige Situation, mitten in einem barbarischen Lande, bei einem Beförderungsmittel, das jeden Augenblick den Dienst versagen konnte, durchaus nichts Beruhigendes. Der Doctor konnte auf seinen Ballon kein Vertrauen mehr setzen; die Zeit war vorüber, wo er ihn mit Sicherheit und Kühnheit handhabte, weil er sich auf ihn verlassen konnte.
    Unter diesen und ähnlichen Gedanken glaubte Fergusson bisweilen ein unbestimmtes Geräusch in den ungeheuren Wäldern zu vernehmen, und zuweilen schien es ihm sogar, als ob ein rasches Feuer zwischen den Bäumen aufleuchte. Er blickte scharf hinunter und richtete sein Nacht-Fernglas auf die betreffende Stelle, aber nichts zeigte sich; es entstand ein fast noch tieferes Schweigen.
    Fergusson hatte zweifellos eine Sinnestäuschung gehabt; er horchte nochmals, ohne jedoch das geringste Geräusch wahrzunehmen, und da die Zeit seiner Wache nun abgelaufen war, weckte er Kennedy, empfahl ihm die äußerste Wachsamkeit und legte sich neben Joe nieder, der fest und ruhig schlief.
    Kennedy zündete seine Pfeife an und rieb sich die Augen, die er nur mit großer Mühe offen hielt; dann setzte er sich in einen Winkel der Gondel, stützte den Kopf in die Hand und rauchte in kräftigen Zügen, um den Schlaf zu verscheuchen.
     

    Das absoluteste Schweigen herrschte ringsum; ein leichter Wind fuhr durch die Wipfel der Bäume, schaukelte leise die Gondel und lullte unversehens den Jäger in Schlaf; mit großer Anstrengung öffnete Kennedy mehrmals die Augen, schaute in das Dunkel hinaus, ohne jedoch vor Schlaftrunkenheit etwas sehen zu können, und schlummerte endlich, der unsäglichen Ermüdung erliegend, fest ein.
    Wie lange er so gelegen, wußte er nicht, aber plötzlich wurde er
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