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Fuego, Andréa de

Fuego, Andréa de

Titel: Fuego, Andréa de
Autoren: Geschwister des Wassers
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geholt?«
    »Die Malaquias waren die einzigen, die in der Serra Morena geblieben sind, sie sind hochgezogen, haben die Stadt von oben gesehen. Wer bereits in der Höhe ist, findet leichter Kontakt.«
    »Scher dich zum Teufel, Timóteo!«

72. Kapitel
    JÚLIA GING ZUR Toilette, keine Spur von Dinorá. Sie wechselte dem Jungen die Windeln, den sie Antônio nannte, nach dem mittleren Bruder, der immer mit ihr gespielt hatte. Sie trank einen Kaffee, ging zum Schalter. Noch immer gab es keinen direkten Bus zur Serra Morena, sie war ein Durchgangsort ohne Busbahnhof, alles war wie früher. Sie würde an der Straße aussteigen und zu Fuß weitergehen müssen, mit Antônio auf dem Arm.
    Júlia gab dem Jungen in einer Ecke, wo weniger Reisende waren, die Brust. Sie glättete seine Decke, packte die Babytasche und blieb an der Tür zur Toilette stehen. Sie sah die Frauen kommen und gehen, die einen in Eile, die anderen vertrieben sich die Zeit. Die einen Mädchen, die anderen Damen, sie wählte mit den Augen aus, fragte nach der Uhrzeit und lauschte, ob die Stimme vertrauenerweckend klang. Da kam die Frau in Violett, diesmal in Braun. Sie erkannte Júlia nicht, die nun reifer und selbstsicherer war. Sie achtete eher auf das Baby, kam näher, Júlia küsste Antônios Stirn, bekreuzigte sich und fasste Mut.
    »Können Sie ihn kurz halten, damit ich auf die Toilette gehen kann?«
    Die Frau in Braun sah Júlia nicht ins Gesicht, sie nahm Antônio auf den Arm wie jemand, der in einer Kinderkrippe arbeitet.
    »Lassen Sie sich Zeit.«
    Júlia betrat die Toilette, wusch sich die Hände, ohne sich im Spiegel anzusehen, trocknete sie an ihrem Rock ab. Ihr Kinn zitterte, nie hatte sie besessen, was ihr gehörte, und nun sollte es wieder so sein. Sie verließ die Toilette, die Frau in Braun war nicht mehr da, Antônio auch nicht.
    Mit freien Armen trat sie an den Schalter, eine Tasche über der Schulter.
    »Haben Sie eine Fahrkarte zum Meer?«
    »Das Meer ist groß, meine Dame, wohin am Meer?«
    »Irgendwohin.«
    »Wir haben was nach Santos, da ist der Hafen.«
    »Das nehm ich.«
    Sie wollte alleine zurückkehren, so, wie sie gegangen war, auch wenn ihr Ziel nicht die Serra Morena war. Ihr Ursprung lag nicht in dem Ort, sondern in dem Knall im elterlichen Haus. Es hieß, ins Meer würden mehr Blitze einschlagen, vielleicht würde sie ja von einem getroffen und käme zurück nach Hause.

73. Kapitel
    DAS SCHIFF FUHR in den Hafen ein, Nico und Maria stiegen aus. Antônio kam, Onofre und Anésia an der Hand, hinterher. Maria benutzte einen Fächer, das Geschenk einer begüterten, auf Schiffskasinos versessenen Dame.
    »Nehmen Sie ihn, das Fächeln stillt jegliche Tränen.«
    Im Hafen eine Menschenmenge. Menschen, die sich verabschiedeten, Menschen, die sich wiedersahen. Darunter Júlia, die die Mannschaft aussteigen sah, alle im Rhythmus der Wellen, mit Pausen beim Gehen.
    Sie waren sich nah, Júlia und ihre Brüder. Es trennte sie lediglich ein Reisender, der den Hals hektisch hin und her reckte, auf der Suche nach seinen Verwandten. Der Mann trug eine lange Jacke und einen Hut. Ein Reisender genügte, um zu verhindern, dass Júlia und Nico sich sahen. Wenn einer der Malaquias einen Schritt tat, tat der Reisende einen anderen, fast wie einstudiert. Weitere Reisende fügten sich in den Reigen ein, schoben Koffer vor sich her.
    Antônio blieb stehen, um Anésias Schnürsenkel zu binden. Júlia sah den Zwerg von hinten, zu Füßen des Mädchens. Sie verspürte Erleichterung, glaubte, das Richtige getan zu haben, ihr Sohn sollte nicht Sklave eines Kindes sein, sollte nicht in einer Familie arbeiten und im Nebengelass statt im Haupthaus wohnen. Die Reisenden wurden spärlicher, hier und da rannte noch einer auf jemand zu. Nico blickte auf die eine, Júlia auf die andere Seite. Ihre Blicke bildeten zwei parallele Geraden, seine oben, ihre unten. Es gab die Chance einer Überschneidung, doch dann tat Nico einen Schritt, und der Schnittwinkel war zerstört. Júlia verschwand aus seinem Gesichtsfeld und er aus dem ihren, wegen eines einzigen Schritts.
    Im trüben Wasser erkennt man die Substanzen nicht.

Über die Autoren
    Andréa del Fuego, 1975 in São Paulo, Brasilien, geboren, studierte Journalismus. Ihre Erzählungen sind in verschiedenen internationalen Anthologien erschienen, außerdem hat sie mehrere Kinderbücher veröffentlicht. Ihr Debütroman Geschwister des Wassers wurde 2011 mit dem José Saramago Preis ausgezeichnet und war, ebenfalls
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