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Frühlings Erwachen (German Edition)

Frühlings Erwachen (German Edition)

Titel: Frühlings Erwachen (German Edition)
Autoren: Frank Wedekind
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– Sei nur froh, daß du so weggekommen!
    Moritz Du weißt nicht, Hänschen, du ahnst nicht, was auf dem Spiel stand. Seit drei Wochen schleiche ich an der Tür vorbei wie am Höllenschlund. Da sehe ich heute, sie ist angelehnt. Ich glaube, wenn man mir eine Million geboten hätte – nichts, o nichts hätte mich zu halten vermocht! – Ich stehe mitten im Zimmer – ich schlage das Protokoll auf – blättere – finde – – und während all der Zeit... Mir schaudert –
    Melchior ... während all der Zeit?
    Moritz Während all der Zeit steht die Tür hinter mir sperrangelweit offen. Wie ich heraus... wie ich die Treppe heruntergekommen, weiß ich nicht.
    Hänschen Rilow – Wird Ernst Röbel auch promoviert?
    Moritz O gewiß, Hänschen, gewiß! – Ernst Röbel wird gleichfalls promoviert.
    Robert Dann mußt du schon nicht richtig gelesen haben. Die Eselsbank abgerechnet zählen wir mit dir und Röbel zusammen einundsechzig, während oben das Klassenzimmer mehr als sechzig nicht fassen kann.
    Moritz Ich habe vollkommen richtig gelesen. Ernst Röbel wird so gut versetzt wie ich – beide allerdings vorläufig nur provisorisch. Während des ersten Quartals soll es sich dann herausstellen, wer dem andern Platz zu machen hat. – Armer Röbel! – Weiß der Himmel, mir ist um mich nicht mehr bange. Dazu habe ich diesmal zu tief hinuntergeblickt.
    Otto Ich wette fünf Mark, daß du Platz machst.
    Moritz Du hast ja nichts. Ich will dich nicht ausrauben. – Herrgott, werd' ich büffeln von heute an! – Jetzt kann ich's ja sagen – mögt ihr daran glauben oder nicht – jetzt ist ja alles gleichgültig – ich – ich weiß, wie wahr es ist: Wenn ich nicht promoviert worden wäre, hätte ich mich erschossen.
    Robert Prahlhans!
    Georg Der Hasenfuß!
    Otto Dich hätte ich schießen sehen mögen!
    Lämmermeier Eine Maulschelle drauf!
    Melchior gibt ihm eine Komm, Moritz. Gehn wir zum Försterhaus!
    Georg Glaubst du vielleicht an den Schnack?
    Melchior Schert dich das? – – Laß sie schwatzen, Moritz! Fort, nur fort, zur Stadt hinaus!
    Die Professoren Hungergurt und Knochenbruch gehen vorüber.
    Knochenbruch Mir unbegreiflich, verehrter Herr Kollega, wie sich der beste meiner Schüler gerade zum allerschlechtesten so hingezogen fühlen kann.
    Hungergurt Mir auch, verehrter Herr Kollega.

Fünfte Szene
    Sonniger Nachmittag. – Melchior und Wendla begegnen einander im Wald.
    Melchior Bist du's wirklich, Wendla? – Was tust denn du so allein hier oben? – Seit drei Stunden durchstreife ich den Wald die Kreuz und Quer, ohne daß mir eine Seele begegnet, und nun plötzlich trittst du mir aus dem dichtesten Dickicht entgegen!
    Wendla Ja, ich bin's.
    Melchior Wenn ich dich nicht als Wendla Bergmann kennte, ich hielte dich für eine Dryade, die aus den Zweigen gefallen.
    Wendla Nein, nein, ich bin Wendla Bergmann. – Wo kommst denn du her?
    Melchior Ich gehe meinen Gedanken nach.
    Wendla Ich suchte Waldmeister. Mama will Maitrank bereiten. Anfangs wollte sie selbst mitgehen, aber im letzten Augenblick kam Tante Bauer noch, und die steigt nicht gern. – So bin ich denn allein herauf gekommen.
    Melchior Hast du deinen Waldmeister schon?
    Wendla Den ganzen Korb voll. Drüben unter den Buchen steht er dicht wie Mattenklee. – Jetzt sehe ich mich nämlich nach einem Ausweg um. Ich scheine mich verirrt zu haben. Kannst du mir vielleicht sagen, wieviel Uhr es ist?
    Melchior Eben halb vier vorbei. – Wann erwartet man dich?
    Wendla Ich glaubte, es wäre später. Ich lag eine ganze Weile am Goldbach im Moose und habe geträumt. Die Zeit verging mir so rasch; ich fürchtete, es wolle schon Abend werden.
    Melchior Wenn man dich noch nicht erwartet, dann laß uns hier noch ein wenig lagern. Unter der Eiche dort ist mein Lieblingsplätzchen. Wenn man den Kopf an den Stamm zurücklehnt und durch die Äste in den Himmel starrt, wird man hypnotisiert. Der Boden ist noch warm von der Morgensonne. – Schon seit Wochen wollte ich dich etwas fragen, Wendla.
    Wendla Aber vor fünf muß ich zu Hause sein.
    Melchior Wir gehen dann zusammen. Ich nehme den Korb, und wir schlagen den Weg durch die Runse ein, so sind wir in zehn Minuten schon auf der Brücke! – Wenn man so daliegt, die Stirn in die Hand gestützt, kommen einem die sonderbarsten Gedanken...
    Beide lagern sich unter der Eiche.
    Wendla Was wolltest du mich fragen, Melchior?
    Melchior Ich habe gehört, Wendla, du gehest häufig zu armen Leuten. Du brächtest ihnen Essen, auch
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