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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition)
Autoren: Susanne Fröhlich
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Paar abgegeben. Aber mein Bruder hat für Heike definitiv zu wenig weibliche Anteile.
    Wir »busseln« uns, wie Heike als eingeplackte Münchnerin es nennt, erst mal ausgiebig ab. Meine Schwiegereltern erscheinen mir leicht angespannt. Stimmt, Christoph hat ihnen ja von Heikes »Neigung« erzählt, und was in ihren Hirnen jetzt für ein Film abläuft, kann ich mir vorstellen. »Es ist platonisch, rein platonisch zwischen uns, leider«, necke ich die beiden, die sich daraufhin, schon weniger verstört, schnell verabschieden. Heike hat einen riesigen scheußlichen Blumenstrauß in der Hand. Modell Resteverwertung in der Blumengroßhandlung. Zusammengesteckt von zwei Farbenblinden, die nicht den Hauch von gutem Geschmack besitzen. Heike, was ist da über dich gekommen?
    Die Lösung: Es ist kein Geschenk von ihr. Die beiliegende Karte verrät es. Von meinen Kollegen. Wie aufmerksam. Man hat ihr die Blumen an der Pforte in die Hand gedrückt. »Hat der Pförtner sofort erkannt, daß du zu mir wolltest?« befrage ich meine Lieblingsfreundin. »Nee, Quatsch, wie sollte er? Ich habe gefragt, wo du liegst, und da hat er mich gefragt, ob ich dir was mit hochnehmen kann. Es wäre heikel, dich runterzubeordern. Habe ich nicht so recht gerafft, was dieser Zusatz sollte.« Ich schon. Mein Auftritt im Drahtgitterpapierkorb ist bestimmt schon Pförtnerlegende. Wahrscheinlich habe ich in den Erzählungen inzwischen schon nackt auf den »Edlen Tropfen in Nuß« rumgestapft. Oder getanzt. Nackt und in Pumps. Das wären Männerphantasien der üblichen Bauart. Ich beschließe, den beiden, Heike und meinem Bruder Stefan, die Geschichte zu erzählen.
    Für Stefan wäre es fast die letzte Geschichte seines Lebens geworden. Er hat dermaßen gelacht, daß ich dachte, ich muß ärztlichen Beistand organisieren. Heike ärgert sich, daß sie diesen netten Auftritt nicht live miterlebt hat. Frau Tratschner, die zwar so getan hat, als ob sie liest, hält’s auch nicht mehr. »Schluß«, quiekt es vom Fenster, »mir platzt die Kaiserschnittnarbe wieder auf.« Eigentlich wollte ich mit meiner Müllnummer nicht zum Gesprächsthema Nummer eins im Krankenhaus werden, aber so geschwätzig scheint mir die Tratschner nicht zu sein. Und gehört hat sie es nun eh. Sie wird richtig munter in ihrem Bettchen.
    Als Heike eine Flasche Schampus aus dem Rucksack zieht und ihr ein Gläschen anbietet, sagt die Tratschner sofort ja. »Schrecklich gerne, und übrigens, ich heiße Barbara«, strahlt sie meine Heike an. Was geht denn da ab? Der Schampus tut uns allen gut. Vor allem mir. Neun Monate Abstinenz. Schon nach einem Gläschen fühle ich mich fast volltrunken. Jetzt fehlen uns bei unserem geselligen Beisammensein nur noch ein paar Häppchen. Stefan spielt Prinz Charming. Bietet an, eben mal eine Ladung Hamburger zu organisieren. Was können Geschwister für ein Segen sein. Und das, obwohl er nicht mal Patenonkel von Claudia ist. Das geht bei uns streng nach Reihenfolge. Ich bin die Patin von Mona und logischerweise ist Birgit Patin von Claudia. Hätte ich sie ausgelassen, hätte ich gleichzeitig auswandern müssen. Als zweite Patin will ich Heike fragen. Was sicher Sabine ärgern wird.
    Entscheidungen zu treffen ist ein Dilemma. Warum nur kann ein Kind nicht zahlreiche Paten haben? So muß man sich direkt nach dem Gebären schon wieder unbeliebt machen. Wir geben eine Großbestellung auf. Big Macs und Pommes in rauhen Mengen. Mein Bruder verspricht, auch noch ein weiteres Fläschchen Schampus zu organisieren.
    Solche Männer braucht das Land. Männer, die merken, was fehlt. Ohne daß sie erst mühsam draufgestumpt werden. Es macht mehr Freude, wenn sie freiwillig und eigenständig eine Idee haben. Ein Mann, der einfach so »Ich liebe dich« sagt, ohne daß man vorher 13mal gefragt hat »Liebst du mich eigentlich?«, ist eine feine Sache. Oder einer, der nicht vor dem Müll steht und faselt: »Du, der ist voll«, sondern ihn ungefragt entsorgt.
    Ob mein Bruder nur bei mir so aufmerksam ist oder ob er Heike becircen will, wer weiß. Warum ein Mann etwas tut, ist mir mittlerweile relativ egal. Wenn die Handlung in meinem Sinne ist, schert mich die Motivation wenig. Bis unser Abendessen kommt, leeren wir den Schampus. Ich fühle mich reichlich beschwingt. Vor Stefan und den Hamburgern beehrt uns allerdings Schwester Christel. Haben wir den Schichtwechsel verpaßt? Anscheinend. Der Geruch in unserem Zimmer läßt sie angewidert das Lipglossmäulchen verziehen.
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