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Frauen fragen Feuerstein

Frauen fragen Feuerstein

Titel: Frauen fragen Feuerstein
Autoren: Herbert Feuerstein
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winziges Hirn haben und trotzdem unendlich kunstvolle Netze knüpfen und wochenlang reglos auf der Lauer liegen — einmalig unter den Geschöpfen der Natur, vielleicht mit Ausnahme der Stasi. Meine Frau hingegen ist der festen Überzeugung, dass jede Spinne für ihre bloße Annäherung an eine menschliche Behausung den sofortigen Tod durch den Pantoffel verdient.
    Im späten August letzten Jahres gab es deshalb eine Krise. Nach der Rückkehr von einer Reise fanden wir auf der Terrasse zwischen Ampelpflanze und Stützbalken ein gewaltiges, in allen Regenbogenfarben schillerndes Netz, Mitten drin saß eine dicke, schwarze Kreuzspinne.
    Ich war begeistert, nannte sie dem Monat gemäß »Augusta« und wollte schon Fliegen für sie fangen, wie ich es vor Jahren immer gemacht hatte, als wir noch am Waldesrand wohnten; da gab es nämlich Ecken, wo die kühnsten Netze aufgespannt waren, ohne dass sich auch nur die magerste Mücke darin verfing, während oben, vor den beleuchteten Fenstern, die Spinnen längst an Fettsucht litten. Da sie nur lebende, zappelnde Beute annehmen, ist ihre Fütterung gar nicht so einfach. Denn wie jeder Boxer weiß, kann man nicht schnell und gleichzeitig auch zärtlich zuschlagen, Ich erntete nur tote Fliegen. Und kaputte Blumenvasen.
    Eine Weile experimentierte ich damit, den Fliegenleichen Nähzwirn um den Leib zu binden, sie ins Netz zu werfen und daran zu ziehen, sodass es aussieht, als würden sie noch zappeln. Aber darauffiel keine einzige Spinne rein — die Tiere beobachteten mich nur spöttisch und rührten sich nicht vom Fleck. Also lauerte ich oben, vor den beleuchteten Fenstern, bis den Vielfraßen was ins Netz ging, und schnappte ihnen die Beute weg, solange sie noch zappelte, und trug sie runter ins Netz der armen Vettern.
    Auf Dauer war das doch recht mühsam. Erst als ich fauliges Obst unter die Netze legte und darin Fruchtfliegen züchtete , war die Hungerhilfe für die notleidenden Spinnen gesichert. Das ist aber alles schon ein Dutzend Jahre her. Danach lebte ich weitgehend spinnenfrei, von den Hotels abgesehen, die der WDR für seine Mitarbeiter aussucht. Bis zu dem Tag, als Augusta in unser Leben trat.
    Ich trug gerade eine Schale mit vergammelten Pfirsichen auf die Terrasse, das Traummenü jeder Fruchtfliege, mit denen ich unseren Gast nach alter Gewohnheit verköstigen wollte, als meine Frau im Türrahmen stand. Mit einem Koffer. »Entweder die Spinne geht, oder ich .«
    Nun bringen zwar Spinnen viel Freude ins Leben, sind aber doch in vielen Dingen Frauen unterlegen, sodass die Entscheidung relativ leicht fiel. Aber ganz ohne Widerstand wollte ich nicht aufgeben. »Spinnen sind nützlich. Sie fangen Stechmücken !« Leider hatte meine Frau ein solides, wissenschaftliches Gegenargument: »Um diese Jahreszeit gibt es keine Stechmücken mehr .« Also versuchte ich es mit einer Lüge: »Sie fangen auch Ohrschliefer .« Denn Ohrschliefer sind für meine Frau nach Spinnen und RTL-2-Moderatoren das dritt-ekligste Krabbeltier. Wie erwartet schrie sie und hielt sich die Ohren zu, da sie überzeugt ist, dass Ohrschliefer bereits bei der bloßen Namensnennung in die Gehörgänge kriechen.
    »Du brauchst dir nicht die Ohren zuzuhalten. Ohrschliefer schlüpfen nicht ins Ohr«, sagte ich zum tausendsten Mal. Und zum tausendsten Mal kriegte ich die Antwort: »Warum heißen sie dann so ?« So ein Blödsinn, Arschkriecher heißen auch so und kriechen nicht wirklich in den Arsch. Doch war eine weitere Debatte sinnlos, denn meine Frau kam bereits mit dem nächsten Argument: »Außerdem ist sie schwanger. Sie wird eine Million Kinder kriegen, das ist bei
    Spinnen die Mindestzahl ,« Und dann malte sie mir ein Höllenbild: Überall würden die Spinnen ihre Nester bauen, auch im Schrank mit der Unterwäsche und im Faxgerät. In Kurze würde unser Heim unbewohnbar sein.
    Mein Einwand, dass nirgendwo ein Spinnenmännchen zu sehen war, wurde biologisch korrekt abgeschmettert: »Natürlich nicht. Spinnenmännchen sind mikroskopisch klein und werden nach der Befruchtung gefressen .«
    Da mir dieses Thema persönlich sehr unangenehm ist, ging ich runter in die Apotheke und erkundigte mich nach einem Schwangerschaftstest für Spinnen, Gibt aber keinen.
    Nach zähen Verhandlungen, die weitaus länger und schwieriger waren als alles, was sich so bei der UNO abspielt, einigten wir uns: Augusta durfte bleiben, ich musste aber jedes Mal, wenn meine Frau auf der Terrasse unter dem Netz durchging, einen
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