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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau
Autoren: Ellen Jacobi
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entfallen.
    Grünschnabel meldet sich wieder zu Wort. »Hier steht auch etwas von einer – ich darf zitieren – ›ausgeprägten Fantasie und einem intuitiv arbeitenden Gedächtnis mit Hang zu unvermittelten Gedankensprüngen, die für die Außenwelt schwer nachzuvollziehen sind‹.«
    Frau Schick errötet. »Wirklich charmant, der Professor Ludrikeit, ein richtiger Kavalier. Von dem können Sie noch viel lernen, aber selbst meine Fantasie kann keine Fußstapfen auf dem Teppich hinterlassen! Meine Haushälterin brauchte eine ganze Flasche Tuba-Teppichschaum und Waschbenzin, um sie wegzubekommen.«
    »Tuba, aha!«, ruft Grünschnabel begeistert. »Frau Schick, ich will Sie jetzt nicht zusätzlich verängstigen, aber …«
    »Junger Mann, ich habe keine Angst vor Gespenstern, ich will sie nur loswerden!«
    »Aber«, fährt Grünschnabel unbeirrt fort, »könnte es nicht sein, dass ein Einbrecher diese Abdrücke hinterlassen hat?«
    Schlaumeier!
    »Daran habe ich natürlich als Erstes gedacht, ich lese nämlich gerne Kriminalromane. Aber warum sollte ein Einbrecher Tante Fredas Hut – noch dazu dieses scheußliche Modell mit Hühnerfedern und Mottenlöchern – aus dem Keller mopsen, um sich dann in meinem Kleiderschrank zu verstecken und grün zu leuchten? Das ergibt ja nun überhaupt keinen Sinn.«
    »In der Tat«, murmelt Grünschnabel und fällt in sich zusammen wie Tuba-Teppichschaum. »Versuchen wir es anders. Gab es in Ihrer Familie bereits vor Ihnen Fälle von … äh … nun ja …«
    »Schwachsinn?«, schlägt Frau Schick vor.
    »Das ist ein unwissenschaftlicher Terminus, den Neurologen schon lange nicht mehr verwenden.«
    »Ich schon, junger Mann, und ich erkenne einen Schwachsinnigen, wenn er vor mir sitzt.« Ach nein, zu viel der Ehre, der arme Kerl ist nur furchtbar fantasielos. »Herr Doktor Grünschnabel …«
    »Ich heiße Kleinemann. Dr. Benjamin Klei-ne-mann.«
    »Ach, darum bin ich auf Grünschnabel gekommen! Pardon. Kleiner Mann passt natürlich noch besser. Um auf den Schwachsinn in meiner Familie zurückzukommen: Da wir von Toddens von sehr altem Adel sind und entfernt mit dem britischen Königshaus verwandt, sind wir natürlich einiges gewöhnt. Verwandtenehen, exzentrische Vorfahren, Prinzen, die mit Blumentöpfen reden, ausgemachte Trunkenbolde – Sie wissen schon. Aber auf unsere Gespenster konnten wir immer stolz sein! Die hatten Benimm. Mein Großonkel Taddäus etwa hätte sich nach seinem Tod allenfalls auf den Dachboden, aber nie und nimmer in den Schlafzimmerschrank einer Dame verirrt. Dabei hat er zu Lebzeiten gern mal die Unterröcke seiner verstorbenen Gattin getragen. Natürlich nur, weil er sie schrecklich vermisste, und außerdem war Taddäus wirklich sehr tüdelig, was aber weniger an den Genen als am Meschkinnes lag.«
    »Meschkinnes?«
    »Bärenfang, ostpreußischer Honiglikör, ausgesprochen süffig und gehaltvoll. Ich nehme ab und an gern ein Gläschen, bevor ich zu Bett gehe.«
    Grünschnabels Stachelbeeraugen beginnen glasig zu leuchten. »Nur eins oder vielleicht ein paar mehr?«
    »Was wollen Sie denn damit wieder andeuten, Herr Doktor? Ich denke, wir sollten das Gespräch beenden. Sie haben mich mit allen erdenklichen Mitteln beleidigt, und ich muss jetzt wirklich los, um meine Hochzeitskuchen vorzukosten.«
    Grünschnabel reagiert fassungslos. »Sie wollen heiraten ?«
    »Halten Sie mich für komplett durchgedreht? Ich bin fast 78! Heiraten werden Herberger und Nelly. Jedenfalls, wenn es nach mir geht, und zwar in meinem Haus. Deswegen muss ich doch das Gespenst loswerden. Auf unserer Hochzeit hat Freda von Todden nichts verloren. Schon gar nicht mit dem Hut!«
    Genau, und weil dieser Grünschnabel ihr nicht helfen kann, braucht sie jetzt auch noch weißen Zwirn und Pimpinelle. Dass sie da nicht längst drauf gekommen ist! Uraltes Hausmittelchen von Schuster Popesch.
    Die olle Schemutat, ihre Amme, hat ebenfalls drauf geschworen. Könnte ja funktionieren. Ach was, das wird todsicher funktionieren! Von Schopenhauer hatten Popesch und die Schemutat zwar keine Ahnung, aber wie der große Philosoph wussten die beiden, dass der Welt mit Logik nicht beizukommen ist, weil ihr ein unvernünftiges Prinzip zugrunde liegt.
    »Herr Doktor, ich bräuchte jetzt wirklich Ihren Kugelschreiber! Die Pimpinelle vergesse ich sonst bestimmt.«

4.
    »Mama, lass den Scheiß!«, empfiehlt Becky genervt. »Du brauchst dir für den neuen Job keinen Abfall aus Erdöl und Silikon ins Gesicht zu
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