Franziskus, der neue Papst (German Edition)
hat wie im biblischen Gleichnis Talente hinterlassen, mit denen man wuchern kann. Der deutsche Papst hat in der Liturgie der Ästhetik die Tore erneut geöffnet. Zugleich hat er das Herz der Liturgie, die Eucharistie gestärkt und betont. Das waren wichtige und richtige Entscheidungen, die Benedikt XVI. seiner Kirche mit auf den Weg gegeben hat. Die Inauguration von Papst Franziskus ist das beste Beispiel dafür: Noch kurz vor seiner Demission hatte Benedikt XVI. den Ritus der Amtseinführung verändert. Laut Zeremonienmeister Guido Marini sei es ihm »immer schon ein Anliegen gewesen, die heilige Messe besser von anderen Riten zu unterscheiden, die nicht direkt zu ihr gehören«. Deshalb wird die Einführung »der heiligen Messe vorausgehen und nicht mehr in ihrem Inneren stattfinden«, so Marini. So wie in der Liturgie, hat er auch im interreligiösen Dialog, in der Verkündigung, der Neu-Evangelisierung Akzente gesetzt und Spuren gelegt, die seinem Nachfolger als Ausgangspunkt dienen können.
Neben diesen inhaltlichen Hinterlassenschaften wird von Benedikt XVI. die Art bleiben, wie er Papst war. Wie er das Amt des »Stellvertreter Christi auf Erden« interpretiert hat. Werte wie Demut, Bescheidenheit und Zurückhaltung hat auch ein Johannes XXIII. verkörpert, der diese Tugenden zudem mit einer großen Offenheit in der persönlichen Begegnung und einem volkstümlichen Charisma gepaart hat. Damit ist er aus seiner Sicht – und das ist seine persönlichste Frucht, die er hinterlässt – bis zum Ende seinem Auftrag gerecht geworden. Mit einer seltenen Konsequenz hat er seinen Dienst versehen. Das lateinische Wort dafür lautet »Magisterium« und passt im Falle Benedikt XVI. besonders gut: »Magisterium« meint ursprünglich das Lehramt, das die katholische Kirche, jeder ihrer Angehörigen und der Papst im ganz Besonderen versieht. Benedikt hat das Papstamt wirklich zu einem Lehr-Amt gemacht. Er hat sein »Magisterium« konsequent am Wort als Jesus Christus und am Wort als Lehramt orientiert. Der Heilige Vater hat das Amt mit seinen persönlichen Fähigkeiten versucht auszufüllen, mit seinem Glauben und seiner Vernunft. Er hat gewusst, dass das ein entscheidender Teil seines Vermächtnisses an die Kirche sein werde. Er hat es sogar einmal angedeutet. Damals, am 27. Februar 2008, in seiner letzten Mittwochskatechese über den heiligen Augustinus: »Er lernte«, so sagte Benedikt XVI. damals, »seinen Glauben den einfachen Menschen mitzuteilen und so für sie in jener Stadt zu leben, die seine Stadt wurde, und übte unermüdlich eine großherzige und mühsame Tätigkeit aus, die er in einer seiner wunderschönen Predigten so beschreibt: ›Immer wieder predigen, disputieren, ermahnen, erbauen, für jeden bereitstehen. Das ist eine große Last, ein schwerer Druck, eine mühseliges Werk‹ (Serm. 339,4). Aber diese Last nahm er auf sich, da er verstand, dass er gerade so Christus näher sein konnte. Zu verstehen, dass man zu den anderen durch Einfachheit und Demut gelangt – das war seine wahre und zweite Bekehrung.« Benedikt XVI. hat an diesem Tag im Februar keinen Vergleich zwischen seinem Dienst und dem Augustinus ’ angestellt, zumindest nicht ausdrücklich. Denn in Wahrheit liest man ihn aus jeder Zeile: »Indem Augustinus so auf ein rein meditatives Leben verzichtete, lernte er, oft unter Schwierigkeiten, die Frucht seiner Intelligenz den anderen zu ihrem Nutzen zur Verfügung zu stellen.« Worte, die beide beschreiben, Kirchenlehrer Augustinus und Papst Benedikt XVI. Worte wie die von Kardinal Ratzinger vor dem Konklave. Worte, die erst im Rückblick ihre gesamte Tiefe und Tragweite entfalten.
WIE ES STEHT: DIE SITUATION DER WELTKIRCHE
D en Wettstreit um den Himmel hat sie verloren. Gegen die gigantischen Skyscrapers New Yorks hat die St. Patrick’s Cathedral keine Chance, egal wie erhaben sie ihre beiden mehr als 100 Meter hohen gotischen Türme emporreckt. So mächtig ihre Marmorfassade und das Bronzetor auch sein mögen, sie wirken winzig gegenüber den Glas- und Betonfensterzügen der Giganten wie dem Rockefeller Center direkt gegenüber. Die Traffic Lights wechseln in rasender Geschwindigkeit, die Glocken der St. Patrick’s scheinen da langsamer zu schlagen. Hier, an der Fifth Avenue liegt die Kathedrale nur eine Viertelstunde entfernt vom Financial District und der Wallstreet. Sie ist Bischofssitz des Erzbistums New York und damit Hauptkirche von mehr als fünf Millionen Katholiken. Diese Zahl
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