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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Jonathan Schnitt
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durchaus geraten können –, sondern dass für den Soldaten mit seinem besonderen Auftrag der Mut schon hier zu Hause, an der Heimatfront, beginnt.

Ein Zivi auf dem Dingo-Dach
    Meine Erfahrung mit der Bundeswehr beschränkte sich bisher auf einen Lehrgang für Journalisten in Krisengebieten in Hammelburg im bayerischen Unterfranken. Dort habe ich gelernt, wie ich mich bei einer Geiselnahme verhalten soll und wie, wenn auf mich geschossen wird – den Geiselnehmern gehorchen, möglichst viele Informationen aufnehmen und bei Beschuss auf den Boden werfen. Oder, wurde mir erklärt, mich »klein und hässlich« machen. Nichts leichter als das.
    Jetzt also die zweite »Trockenübung«, ehe ich ins Wasser springe beziehungsweise in den afghanischen Sand. Die Ausbildung »meiner« Soldaten, also der Gruppe, die ich begleiten werde, hatte schon im Januar 2011 begonnen. Hammelburg, Munster, Trauen – sechs Monate haben sie auf diesen Übungsplätzen für ihren Einsatz trainiert. Für vierzehn Tage bin nun auch ich dabei, um zu lernen, wie ich mich als Journalist in einer militärischen Einheit zu bewegen habe, wenn ich wieder heil nach Hause kommen will.
    Auf dem Truppenübungsplatz Altmark in Sachsen-Anhalt treffe ich »meine Jungs« zum ersten Mal: Der Kommandant des Dingos, auf dem ich sitze, ist Oberfeldwebel Jan-Uwe Schröder. Schröder kommt aus Kirchgellersen bei Lüneburg in Niedersachsen. Er ist 26, verheiratet und Vater einer sechs Monate alten Tochter. Schröder ist als Gruppenführer für seine Soldaten – und letztlich auch für mich – verantwortlich, wenn es nach Afghanistan geht.
    Außerdem mit mir auf dem Dingo: unser Kraftfahrer, Stabsgefreiter Matthias Chill, 26, aus Merseburg in Sachsen-Anhalt, Stabsgefreiter Thorsten Körner, 22 Jahre, aus Braunschweig in Niedersachsen und Obergefreiter Daniel Wild, 24, aus Weißenfels, ebenfalls in Sachsen-Anhalt. An der Übung nehmen außerdem die anderen 175 Soldaten der 3. Kompanie von Hauptmann Schellenberger teil.
    Der Truppenübungsplatz Altmark gehört mit einer Fläche von zirka 23 000 Hektar zu den größten Übungsplätzen der Bundeswehr. Auf dem Gelände befinden sich mehrere Kulissenanordnungen, die afghanischen und kosovarischen Dörfern nachempfunden sind. Hier übt nun also die zukünftige Task Force Kunduz für den Einsatz in Kunduz.
    Wir wohnen in Zelten und schlafen auf Feldbetten. Jeden Tag begleite ich die simulierten Operationen. Patrouille, IED-Anschläge, Überwachung, Gefechte in engen Gassen. Aber, wie gesagt, Simulationen. Passiert ja »in echt« nichts, sagt man sich.
    Schon hier und jetzt habe ich meinen Platz auf dem Dingo von Oberfeldwebel Schröder. Laufe, marschiere – immer direkt hinter den Soldaten. Jede zweite Nacht schlafen wir auf dem Auto. Unsere Verpflegung: Fertignahrung der Bundeswehr (die sogenannten Einmannpakete – EPa).
In den Nächten, die wir auf dem Auto verbringen, schlafe ich nicht mehr als drei Stunden. Mein Rücken schmerzt, der Magen auch, ich stinke und bin müde. Ein eingefleischter Zivilist eben, sicher nicht unsportlich, aber verdammt zivilisationsverweichlicht. Bei dieser zweiwöchigen Übung frage ich mich zum ersten Mal, worauf ich mich hier eigentlich eingelassen habe. Was ich als ehemaliger »Zivi«, der ein warmes Bett zu schätzen weiß, hier überhaupt mache. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
    Als ich Schröder einmal frage, ob er sich auf den Einsatz freut, überlegt er eine Weile und antwortet dann: »Nein, freuen tut man sich darauf nicht. Ich bin grad Vater geworden, da ist das wahrscheinlich normal. Auch bei meiner Mutter muss man das Thema derzeit gar nicht ansprechen. Das führt zu nichts Gutem.«
    Schröder ist für sein Alter ein ziemlich überlegter Mann. Bei ihm deckt sich nichts mit den Vorurteilen, die man gegen Soldaten so hegen könnte. Mich erinnert er an den Schauspieler John Cusack. Und der Eintrag zu Cusack auf der Film-Datenbank IMDB passt auch auf Schröder: »Cusack ist in seinen Rollen meist ein unkonventioneller Held.«
    Zur Verabschiedung ruft Schröder mir noch nach: »Wir sehen uns dann auf dem Weg nach Kunduz!« Er überlegt kurz. »Wenn du es dir nicht noch anders überlegst!«
    Das habe ich nicht. Obwohl ich doch ins Grübeln kam, als ich die obligatorische Impfliste erhielt, die Soldaten vor dem Einsatz absolvieren müssen und die auch ich abarbeiten muss. Ein Dutzend sind es, plus ein MMR-Test (Immunität gegen Masern, Mumps und
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