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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Verena Wyss
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sein.
     
    *
     
    Man konnte nicht jeden Menschen
im Spital besuchen, den man irgendwie um eine Ecke herum kannte. Das war auch für
den unangenehm, der da im Bett lag und misstrauisch die Tür im Auge behielt, ob
da einer hereintrete, der ihm zu nah käme, körperlich zu nah: man wäre ausgeliefert,
bis einem nichts anderes übrig bliebe, als die Augen zu schließen und nicht mehr
zu öffnen, bis der andere wieder draußen wäre. Vor lauter Augenschließen würde man
dann depressiv.
    Seelisch
war ja bloß eine andere Form, oft die Vor-, Neben- oder Nachstufe, Krankheit war
seelisch. Maude hatte Freundinnen zu Dutzenden, das war Pamela inzwischen klar geworden.
Maude hatte die Kontakte ihres Mannes gepflegt bis zum bitteren Ende, sie wusste
dies allmählich von Francis. Sie hatte mit anderen Damen Golf gespielt, Kochkurse
besucht, Basare für irgendein Projekt eines Kindergartens mitgetragen, wohlverstanden
nie mitorganisiert, doch gespendet hatte sie jeweils großzügig, auch korbweise nützliche
Gegenstände erworben wie von Damen gehäkelte Topflappen, aber auch angeschlagene
Teeservices und Designertaschen, das alles hatte sie jeweils großzügig ihrer Haushaltshilfe
überlassen. So war allen gedient.
    Francis
besuchte Maude jeweils am Sonntagmorgen, nach dem ersten Training. Nein, er ging
nicht zur Kirche, auch jetzt nicht. Er war vor zwei Jahren konfirmiert worden, der
Mutter zuliebe, und die wollte es auch nur, weil sonst darüber geredet wurde. Sie
liege reglos im Bett, die Augen ohne Ausdruck an die Decke gerichtet, reagiere nicht
oder bewege lautlos die Lippen. Pamela dachte schockiert, Maude war weiter weg als
seelisch krank, das schien eine Hängepartie vor dem Tod zu sein. Wobei man sich
fragen konnte, von wegen Karma, warum jemand hängen bliebe.
    »Isst du
mit mir ein Zvieri? Ich habe einen Russenzopf gebacken, echt frisch, du wirst ihn
mögen. Du brauchst doch Kalorien, wenn du so hart trainierst.«
    Das Letzte
sagte Pamela ganz leicht spöttisch, locker, und er ging darauf ein. »Woher willst
ausgerechnet du wissen, wie hart?«
    »Ich weiß
es einfach, das war das Erste, das ich an dir sah: du bist noch im Wachstum, das
sieht man deinen Handgelenken an, bist sehr ehrgeizig, sehr zäh – und es scheint
dir gutzutun. In Krisen hält hartes Training im Gleichgewicht, hast du das gewusst?«
Sie hatte nicht geplant, so weit zu gehen.
    Nach dem
Nachtessen verabschiedete sie ihn mit den Worten, »Wenn du einmal über deine Sorgen
sprechen willst, vielleicht fällt mir ja dazu etwas ein, du weißt, ich war auch
einmal so recht unten, vor und während meiner Trennung von Stefan, da hatte ich
ein Kind verloren. Aber darum geht es gar nicht. Vielleicht ist einmal etwas praktisch
schwierig, dann könnte mir ja etwas dazu einfallen. Aber ich habe es dir schon gesagt,
Psychologin bin ich nicht, ich komme von der Werbung her.«
     
    *
     
    Sie ging zur Stadtbibliothek, sie
wollte endlich einen Anfang machen zu dem ihr vorschwebenden Gartenbuch. Auf dem
Schlösschen war sie auf das Thema gestoßen, die Labyrinthe der Renaissance als Element
der Gartengestaltung. Reizvoll wäre, Labyrinthe in städtischen Parkanlagen anzulegen:
als Element der Ruhe wie der Verspieltheit. Sie war von der Idee mehr und mehr begeistert
und auf der Suche nach dem idealen Platz. Also kein Sandkastenspiel, sondern richtig!
     
    Die Stadtbibliothek war ein Albtraum.
Mit der Computerisierung hatte man die alte Bibliothek vom Staub aus Hunderten von
Jahren befreit. Menschen gingen ein und aus, arbeiteten dort, doch fühlten denn
diese die hier vorhandene elektrische Hochspannung nicht? Die gebildeten Menschen
generell kultivierten doch ihre Feinfühligkeit, sie spürten, wenn Föhn war, dann
hatten sie Kopfschmerzen. In Bern schien der Föhn täglich zu wehen. Die gleichen
Menschen waren auch feinfühlig beim Essen, empfindlich auf Geräusche, feinnervig,
wenn es um Gerüche ging. Doch ein elektromagnetisches Feld war für sie Fantasterei.
    Pamela hielt
es fast nicht aus, in diesem Elektrosmog auf ihre Bücher zu warten. Dann verließ
sie fluchtartig das früher so schöne Gebäude.
     
    Sie liebte es, auf einer Bank auf
der Münsterplattform zu sitzen, zu denken. Für sie war Neuland, wie ihre Idee Gestalt
annahm. Ihr Buch sollte sich in Richtung des historischen Gartenlabyrinths entwickeln.
Es faszinierte sie, wie sich die Menschen vom Motiv des Irregehens schon immer angezogen
fühlten. Und andere zeichneten es auf, erzählten davon.
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