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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Verena Wyss
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Punkt zwei: Gefahren der offiziellen Anweisungen kurz
überlegen. Gibt es eine Alternative? Punkt drei: Tasche festhalten. Punkt vier:
nicht stolpern, Ausgang erreichen. Schon als sie das dachte, beruhigte sie sich.
Auf der Treppe würde sie versuchen, das Gitter entlang gehen zu können, notfalls
wäre dieses ein Halt.
    Endlich
war sie oben, dann wieder Treppen. Sie hatte gar nicht gewusst, wie viele Uniformierte
sich zurzeit in diesem Stadion aufgehalten hatten. Die Menschen um sie herum waren
beruhigend diszipliniert, keiner drängelte, keiner schob. Hie und da machte einer
in seinem langsamen Dialekt einen Spruch. Man war aufeinander angewiesen. Dann war
sie draußen. Francis war nirgends zu sehen, auch vor dem Ausgang, durch den sie
geschoben wurde, stand er nicht. Da standen aufgereiht Krankenwagen, Verletzte wurden
versorgt. Pamela drängte in diese Richtung, es durfte nicht Francis sein. Die Handys
waren noch immer tot. Plötzlich waren da Einheiten der Bereitschaftspolizei mit
Springerstiefeln und Helmen. Sie bildeten Linien, Sicherheitsleute mahnten, den
Bereich um das Stadion diszipliniert zu verlassen, drängten die Menschen weg. Es
war unmöglich, hier im Gewimmel jemanden zu finden. Pamela machte sich zögerlich
auf den Heimweg und fand sich mit vielen anderen, die da stumm auf den breiten Gehwegen
beidseits der Papiermühlestraße und teilweise am Rand der Straße in Richtung Bärengraben
trotteten. Sie trugen ihre Fahnen zusammengerollt, die Glocken hatten sie bei den
Schwengeln gepackt. Das waren keine randalierenden Fans, das waren bedächtige Berner
auf dem Heimweg. Die St. Galler hatte man offensichtlich auf eine andere Straße
geleitet. Als ein Radfahrer neben ihr das Tempo verlangsamte, gemächlich neben ihr
fuhr, schaute sie auf: »Da bist du ja endlich, mein Gott, Francis.« Sie streckte
die Hand aus, berührte ihn am Arm. »Dir ist nichts passiert, das ist das Wichtigste.«
Auch er schien sich zu freuen, doch er hatte ganz wässerige Augen. Sie musste ihn
einfach kurz umarmen: »Mein Gott, was war ich in Sorge um dich, bin ich froh, dich
wiederzuhaben.«
     
    *
     
    Mit vielen andern gingen sie den
Aargauer Stalden abwärts. Hatte sie die Warnzeichen übersehen? Der Gurten, Berns
weicher Hügel, lag in der Sonne, ein Schatten hatte sich über die Stadt gelegt.
Fast hatte er die gelappte Blütenform einer Lilie, doch dann sah er doch eher wie
eine dreizinkige Ofengabel aus. Beim Betreten des Hauseingangs fröstelte sie.
    Sie machten
es sich im Wohnzimmer bequem, soweit dies auf diesen modernen Möbeln ging, niedrig
und hart gepolstert, tranken ein Glas Wein. Pamela hatte Francis dazu überredet,
trotz seines Trainings, er würde es nur morgen spüren. Sie hatte es gelesen, mit
einem Glas Wein würde die Erinnerung an den Schrecken im Schlaf nur ganz schwach
gespeichert werden.
     
    *
     
    Am nächsten Tag rekelte sich Pamela
in Huberts amerikanischem Schaukelstuhl Modell J. F. Kennedy auf dem kleinen Terrassenplatz,
blickte über die schimmernden Dächer des Matte-Quartiers ins üppig grüne, gegenüberliegende
Aareufer, weiter über gezackte Hausgiebel zum jetzt in weichem Dunst liegenden Gurten.
Neben ihr lag Cooper. Merlin hatte sie versprochen, ihn nie im Stich zu lassen.
Wo Merlin jetzt sein mochte? Frau Fasel hatte geschworen, die Katze nicht aus den
Augen zu lassen, zu hätscheln und bei sich schlafen zu lassen. An diesem wunderschönen
Frühsommertag würde auch Merlin sich irgendwo sonnen. Sie vermisste ihn. Nein, Robert
vermisste sie nicht. Sie fühlte sich frei, als hätte sie dies seit einiger Zeit
ersehnt. Dass sie sich erst hier eingestand, Robert verlassen zu wollen. Nicht nur,
weil er älter war, ihr Vater sein könnte, und dies doch ein Problem war, denn er
war so ausgewachsen, fertig. Er sähe in ihr doch immer ein kleines Etwas, das es
zu erziehen galt. So hatten sich in der Aufklärung die gebildeten Männer den Frauen
gegenüber gefühlt, überlegen und verantwortlich. Sie eiferten einem Ideal nach,
und es galt, die kleine Frau zu sich emporzuziehen. Dazu holten sie sich das Unfertige.
Bloß, dass er sich im Jahrhundert geirrt hatte, oder sie sich in der Klasse.
    Sie wiegte
sich in diesem komfortablen Luxusstuhl und summte eine Harmonie, guckte in die Wolken,
in die Hügel, die die Berge verdeckten, hörte jetzt einen Vogel piepsen – und schon
kreischte er, ganz kurz, eine Katze hatte ihn totgeschlagen, ein Riss in der heilen
Welt. Sie war gezwungen, wach zu
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