Flying Moon (German Edition)
mein Bett und las. Nach zwei Stunden war ich durch. Das Buch war spannend und gut geschrieben und obwohl ich von meinem Vater nichts anderes erwartet hatte, erleichterte es mich. Die Rolle der Ida gefiel mir. Sie war die weibliche Hauptperson, was sollte ich mir Besseres wünschen? Etwas später klopfte Lion an und setzte sich zu mir.
»Ist es gut?«
Ich nickte. »Sogar sehr gut.«
Er sah mich an. »Meinst du, Mom erlaubt es?«
»Wird sie nicht, oder?«
»Bestimmt nicht.«
»Das war´s dann wohl.«
»Auf keine Fall.« Lion sprang auf. »Das ist unsere Chance.«
»Unsere Chance?«
»Papa zu finden.«
»Er wird doch nicht von LA hier rüber kommen, nur wegen diesem kleinen Film.«
»Aber die wissen bestimmt, wo er wohnt.«
»Vielleicht. Und was ist mit Mom?«
Lion stöhnte. »Wir sagen einfach, du bist auf Kursreise.«
»Das geht nicht. Die Schule muss es auch erlauben und die werden sicher mit ihr reden wollen. Es kommt sofort heraus.«
Lion nickte und starrte auf das Drehbuch. Ich fand die Rolle toll, aber wie sollte das funktionieren? Und Dad würden wir garantiert nicht treffen.
»Ich sage ab«, beschloss ich.
»NEIN!« rief Lion.
»Es hat keinen Sinn. Es macht nur Ärger.«
Lion schüttelte stur den Kopf. »Ich habe eine Idee.« Er nahm das Drehbuch riss das Deckblatt heraus, zerknüllte es zu einem kleinen festen Ball und feuerte ihn in den Mülleimer.
»Was wird das?«
Er grinste. »Ich schreib ein neues Deckblatt!«
Etwas später kam meine Mutter. Sie war in guter Stimmung, da sie endlich den Bühnenbildauftrag bekommen hatte. Zur Feier des Tages hatte sie Pizza mitgebracht. Ich wusste, es war der beste Augenblick. Wenn ich sie fragen wollte, dann jetzt. Während wir die Schachteln öffneten und uns die Pizza auf Teller schoben, warf mir Lion ungeduldige Blicke zu. Ich hätte mich lieber noch eine Weile gedrückt. Was war, wenn sie es nicht erlaubte? Es gab keinen Plan B.
»Mom? Was würdest du sagen, wenn ich einen tollen Job gefunden hätte?«, begann ich locker.
Sie sah überrascht auf. »Job? Du hast doch schon die Sache am Theater und dann Schule.«
»Es ist was Besonderes.«
Ich schnitt sorgfältig ein Stück Pizza ab und erst als Lion mir einen irritierten Blick zuwarf, bemerkte ich, dass ich schon eine Weile auf dem Teller hin- und her kratzte.
»Was denn?«
»Moon glaubt, du erlaubst es nicht«, sagte Lion lässig.
Wir wechselten einen schnellen Blick.
»Aber, wieso nicht?«, rief meine Mutter erstaunt.
»Ich habe eine Filmrolle angeboten bekommen.«
»Eine Filmrolle?«
Ich schob ihr das Drehbuch hinüber. Sie sah auf das Deckblatt und zog es zu sich herüber, las die ersten Seiten, blätterte weiter. Wir sahen sie an und warteten.
»Ludger Schein. Hm, der Name sagt mir gar nichts.«
»Ist sicher ein Anfänger«, sagte Lion frech.
»Hat noch nicht so viel gemacht«, setzte ich noch eins drauf.
»Dafür klingt es aber gut.«
»Also?«
»Von mir aus - wenn es ein schönes Projekt ist. Okay!«
5.
Ludger Schein. Der Name war ein Witz. Im Grunde hatten Lion und ich nicht damit gerechnet, dass wir damit durchkamen. Einerseits freute ich mich, andererseits hatte ich ein schlechtes Gewissen. Wir logen meine Mutter an, um Kontakt zu meinem Vater zu bekommen. Das war verrückt. Aber abgesehen davon, ob es uns gelang, so Dad zu treffen, konnte ich mir mittlerweile nicht mehr vorstellen, dass ein anderes Mädchen als ich die Rolle spielen sollte. Ich war Ida. Die Rolle war wie für mich gemacht. Natürlich war ich kein Heimkind, aber Ida glich mir äußerlich und im Charakter ziemlich genau. Was vielleicht kein Wunder war, da mein Vater das Buch geschrieben hatte. Und ich wollte diese Rolle unbedingt spielen, ganz abgesehen von meinem Vater, Lion oder meiner Mutter. Karl hatte versprochen zu schweigen und wenn ich es geschickt anstellte, würde niemand etwas merken, bis ich alles hinter mir hatte. Später könnte ich dann alles erklären. So war jedenfalls mein Plan.
Anne wurde meine Komplizin. Ich erzählte ihr, dass Lion und ich meinen Vater wieder treffen wollten und wie wichtig das für uns wäre. Sie versprach, Mom nichts zu erzählen. Sie kümmerte sich auch für mich um das Vertragliche und den Kontakt zu der Produktion. Mom freute sich darüber, sie hatte wenig Zeit, sich damit zu beschäftigen. Anne fuhr mich auch zu der ersten Leseprobe. In ihrem Auto roch es wie in einem Aschenbecher. Ich kurbelte das Fenster herunter und zog die frische Luft ein. Das Drehbuch
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