Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der Toten: Roman (German Edition)

Fluch der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Z. A. Recht
Vom Netzwerk:
hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Vor einigen Monaten hätte er noch einen Anzug getragen, doch in dieser unsicheren Zeit dachte er eher pragmatisch über seine Bekleidung. Schwarze Kampfanzughosen fielen locker über die Kampfstiefel mit den Stahlkappen, und eine Weste hing über einem langärmeligen, eintönig olivfarbenen T-Shirt. Er marschierte eher, als dass er ging, und dabei schwangen seine Arme im Marschrhythmus vor und zurück.
    Sein Ziel war ein Verwaltungsgebäude nahe der Lagermitte. In diesem Gebäude hielt sich der einzige Mensch auf, der Sawyer nervös machen konnte: der Vorsitzende der Vereinigten Generalstabschefs.
    Eigentlich war der Vorsitzende der Präsident der Vereinigten Staaten. Eigentlich – denn der echte Präsident war noch im Amt. Er versteckte sich in einem Bunker weiter nördlich. Die Stabschefs kannten die exakte Position, aber sie fanden es richtiger, einen Dilettanten im Amt zu lassen, als das Risiko einzugehen, dass jemand, der fähiger und effektiver war, den Laden übernahm.
    Das Camp hier stand hinter dem Vorsitzenden und glaubte seinen Versprechungen bezüglich einer großartigen Zukunft. Seine Parole lautete: Wir müssen ein Heilmittel gegen den Morgenstern-Erreger finden!
    Sawyer erinnerte sich an die mitreißende Rede des Vorsitzenden im Plenarsaal des Kongresses. Er hatte sie während einer Notfallkonferenz gehalten. Sie war charismatisch genug gewesen, um nicht erkennen zu lassen, wie hohl und durchschaubar sie war. Es war in den Anfangstagen gewesen, als man über die ersten Infizierten auf einheimischem Boden berichtete und es kaum hatte glauben können. Alles schien nun furchtbar lange her.
    » Es ist jetzt nicht die Zeit, darüber zu streiten, ob wir die Grenzen zumachen oder die Kranken deportieren sollen « , hatte der Vorsitzende gesagt und mit der Faust auf das Rednerpult geschlagen, um seine Worte zu unterstreichen. » Es ist jetzt auch nicht die Zeit, politische Spielchen zu spielen oder über das Versagen unserer Gesundheitspolitik zu diskutieren. Jetzt ist auf keinen Fall die Zeit, über terroristische Bedrohungen oder künftige Angriffe auf unser Land zu reden. Das Problem ist real; es wird größer, und wir müssen sehen, dass wir aktuell damit zurechtkommen! «
    Dies hatte ihm stehende Ovationen von der Hälfte der Anwesenden eingebracht, quer durch alle Parteien. Die andere Hälfte schien weniger beeindruckt.
    » Der Schaden ist bereits eingetreten. Als Pearl Harbor in Schutt und Asche fiel, haben wir da diskutiert, ob wir fliehen oder die Grenzen zumachen sollen? Nein! Wir haben gehandelt! Wir haben das Problem bei der Wurzel gepackt, gelöst und all das wieder aufgebaut, was wir verloren hatten. Als die Briten von der deutschen Luftwaffe angegriffen wurden und uns um Hilfe anflehten, haben wir uns da vor der Pflicht zur Hilfe gedrückt und den Konflikt gescheut? Haben wir den Schwanz eingezogen und sind im Angesicht des Krieges weggelaufen? Nein! Wir haben gehandelt, gekämpft und gesiegt! Als Tausende am Panamakanal an Malaria starben, haben wir da ihre Bitten um Hilfe ignoriert? Nein! Wir haben gehandelt! Wir haben ein Gegenmittel entwickelt! Und das können wir auch jetzt tun! Wir müssen schnell handeln. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen ein Gegenmittel für diesen teuflischen Erreger finden und verhindern, dass noch mehr Menschen dieser großen Nation leiden und sterben müssen! «
    Es folgte: donnernder Applaus, der noch anschwoll, als der Vorsitzende, von Secret-Service-Agenten eskortiert, die Rednertribüne verließ.
    Sawyer, der alles aus dem Hintergrund verfolgt hatte, fand die Thesen des Vorsitzenden aussagekräftig. Obwohl die Worte leer klangen. Er hatte recht. Der Morgenstern-Erreger war nicht die Art von Problem, das man mit halbherziger Schadensbegrenzung oder nachträglichen Impfstoffen löste. Die Welt brauchte ein Heilmittel.
    Das sagte zumindest die subjektive Seite seines Verstandes. Aber Sawyer hatte noch nie auf diesen Bereich seiner grauen Zellen gehört.
    Sein objektiver Verstand sagte ihm, dass er eine neue Leitfigur emporsteigen sah. Sawyer, sich seiner eigenen Position stets bewusst, war klar, dass er sich hinter diese Macht stellen würde. Es war ein Wagnis, aber wenn der Vorsitzende diesen Kampf gewann, könnte auch er zu den Machern dieser neuen Welt gehören. Dies hatte natürlich nichts mit dem Vorsitzenden zu tun. Sawyer fand den Mann überheblich, hochtrabend und gänzlich zu zaghaft, auf Werte zu verzichten.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher