Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
mehr als das: »Puffs Afrika-Großwildranch« war zugleich auch Andenken an und Denkmal für die mächtige Gestalt von Bernards Vater.
    Bernard Puff senior war einer der letzten großen weißen Jäger Ostafrikas gewesen – Freund und Landsmann von Percival und Ionides, Safariführer für ein paar der berühmtesten Namen Hollywoods und der europäischen Aristokratie. Er heiratete eine reiche Amerikanerin, und sie bauten eine Lodge im Hochland von Kenia, dinierten mit Tania Blixen und aßen das ganze Jahr hindurch Wild. Dann aber stellte der Krieg alles auf den Kopf, und er suchte Zuflucht in den USA, wo er sich in der endlosen Weite des Südwestens und den Taschen seiner angeheirateten Verwandtschaft verlor. Als Kind hatte Bernard junior gespannt den Geschichten von den alten Zeiten gelauscht, dabei fasziniert die gezackte weiße Narbe betastet, die der Hauer eines Warzenschweins auf dem Unterarm seines Vaters hinterlassen hatte, hingebungsvoll die betagten Waffen geölt und gereinigt, von denen Nashorn und Elefant, Löwe und Leopard niedergestreckt worden waren, und stundenlang in die schimmernden Glasaugen der Trophäen gestarrt, die im Zimmer des Vaters an der Wand hingen und deren Namen – Antilope, Kudu, Buschbock, Gnu – wie Zauberformeln in seinem Kopf widerhallten. Er hatte versucht, dem Erbe gerecht zu werden, hatte ihm sein Leben verschrieben, und hier saß dieser Stoffel, dieser Reihenhauskrämer und machte alles herunter.
    »Schon gut«, sagte er. »Geschenkt. Also, was soll ich tun? Ende des Monats kriege ich wieder Löwen rein, erstklassige Katzen, die man im Tsavo-Nationalpark gefangen hat und jetzt hierher umsiedelt...« (Hier bluffte er: in Wahrheit hatte er ein ausgemergeltes Skelett aus dem Zoo von San Francisco organisiert, ein so altes Vieh, daß es die Leute nicht mehr sehen wollten, dazu ein zweites Tier von einem westdeutschen Zirkus, das sich beim Sprung durch den brennenden Reifen einen dreifachen Beinbruch zugezogen hatte.) »Was wir momentan dahaben, sind Elenantilopen, Wasserbüffel, Oryx, Gazellen, Hyänen – ich könnte sogar mit einem Straußenpaar dienen. Aber keinen Löwen, wenn Ihnen Weibchen nicht gut genug sind. Tut mir leid.«
    Und dann, wie ein Licht, das aus der Tiefe emporscheint, kehrte das Glitzern zurück in die Augen des gewieften Maklers; sein Lächeln wurde breiter, hinter der Maske des quengeligen Immobilien-Wunderknaben trat der Tenniscrack und Langstreckenschwimmer hervor. Bender grinste. Er beugte sich vor. »Was ist mit dem Elefanten?«
    »Was soll damit sein?« Bernard hob seinen Toast an die Lippen und legte ihn dann behutsam wieder auf den Tellerrand zurück. Benders Frau beobachtete ihn jetzt, und auch Roland, der gerade Kaffee nachschenkte, warf ihm einen Blick zu.
    »Den will ich haben.«
    Bernard starrte auf seinen Teller und beschäftigte sich einen Moment lang mit Kaffeetasse, Zucker und Sahne. Er trennte sich nur ungern von Bessie Bee, doch war er ziemlich sicher, daß sie sich ersetzen ließe – und die Kosten für ihr Futter brachten ihn ohnehin um. Selbst in ihrem hohen Alter konnte die Elefantenkuh an einem Nachmittag mehr verputzen als eine Herde Guernsey-Rinder in einem ganzen Winter. Er warf der Ehefrau einen kühlen Blick zu, dann sah er Bender direkt an. »Achtzehn Mille«, sagte er.
    Bender wirkte unentschlossen, seine Augen glitzerten noch, waren aber etwas eingesunken, als hätten sie Respekt vor der Gewaltigkeit dieses Geschäfts. »Dafür krieg ich den Kopf, ausgestopft und präpariert«, sagte er schließlich, »das ganze Trumm – ja ja, ich weiß, wie groß es ist, aber das ist kein Problem, den Platz dafür hab ich, glauben Sie mir... Und die Füße, die will ich auch, als... äh, wie nennt man die gleich, Schirmständer?«
    Sie trieben Bessie Bee in einer gestrüppreichen Senke auf, gleich hinter dem Swimmingpool-Wasserloch. Sie nahm gerade ein Bad im Staub, besprühte ihre runzlige Lederhaut mit feiner heller Erde, so daß sie aussah wie ein gewaltiger in Mehl gerollter Teigklumpen. Sie hatte, das sah Bernard jetzt, das hohe Gras zertrampelt, unter dem die blaue Einfassung des Pools verborgen war, außerdem eine halbe Tonne Wasserlilien und Rohrkolben aus dem Schlick gerissen und das stinkende Wurzelgewirr auf dem Beckenrand angehäuft. Er fluchte leise vor sich hin angesichts der bis auf ein paar Stümpfe aufgefressenen Eukalyptusgruppe und des importierten Chinarindenbaums, den sie völlig abgeschält hatte. Normalerweise war sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher