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Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Titel: Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Autoren: Oliver Uschmann
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Das ist etwas sehr Schönes, ich mag es sehr, ich gebe das offen zu. Die rot-goldenen Lichter überall, die Musik, ständig kann man sich guten Gewissens Plätzchen in den Mund stopfen. Aber die Adventszeit ist für mich nur schön, wenn sie auch für alle anderen schön ist. Sophia redet zwar wieder, aber eher wie eine Gebrauchsanweisung. Sie schmückt das Haus und hängt Lichterketten auf. Sie faltet Sterne. Sie sagt Flo, was er wo hinzutragen hat. Aber sie macht es nicht aus Freude am Fest, sondern weil es jetzt eben auf dem Programm steht. So, wie man sich die Fußnägel abknipst, wenn es Zeit dafür ist. Die Bäume haben alle Blätter abgeworfen und sind jetzt genau solche Skelette wie Flos halb fertiges Baumhaus. Mit seinen zweieinhalb Wänden sieht es fast noch trauriger aus als früher. Es ist noch näher ans Fertigwerden rangekommen. Aber eben nur: rangekommen. Am zweiten Adventssonntag hängt Flo eine Lichterkette drüber. Ich bin dabei, als er das macht. Lukas ist beim Auswärtsspiel. Flo hängt sie auf, schließt sie an ein Verlängerungskabel an und lacht so sarkastisch, wie man eigentlich erst lachen sollte, wenn man sechzig ist und jede Menge Scheiß gesehen hat. Dann schlendert er zum Haus zurück, bleibt am Teich stehen, sieht hinein und ruft: »Saugt ihn schon aus, ihr Aborigines auf der anderen Seite! Nehmt euer Rohr und saugt den Scheißteich endlich auf eure Seite rüber!«
    »Da ist nicht Australien«, sage ich. »Du musst die Tiefseekraken bitten, den Teich rüberzuschlürfen.«
    »Da ist Australien!«, beschließt Flo und stapft ins Haus.
     
    Das frühe Morgenlicht fällt durch die Ritzen im Holz der Hütte. Die Hütte ist recht groß. Ein breites Bett, ein roter Flauschteppich auf alten Dielen, eine kleine Küchenzeile mit Gasherd. Vor dem Fenster hängt ein Vorhang aus altem Zeltstoff in Bundeswehrbraun. Auf dem Tisch steht ein Frühstücksteller mit Krümeln neben einer Tasse mit dem Aufdruck einer gelben Ente. Draußen zwitschern Vögel. Keine Amseln oder Spatzen, sondern exotische Vögel. Kakadus, Papageien, so was. Am Fußende des Bettes liegen zwei kleine Söckchen in Mädchengröße, auf dem Nachttisch neben dem Bett zwei ineinander verschlungene, schmale Lederarmbänder. Draußen kracht es. Stahl auf Holz. Das Klackern von Scheiten, die durcheinanderpurzeln. Ich stehe auf und ziehe den Vorhang zur Seite. Helles Licht. Hohe Bäume, alle Sorten, wie im Regenwald. Schmetterlinge und Libellen. Zehn Meter weiter Schilf und das Wasser eines Sees, das sanft ans Ufer schwappt. Vivien steht an einem alten Baumstamm und hackt Brennholz. Sie trägt eine kurze Jeans und ein Hemd, das ihr zu groß ist und das sie über dem Bauchnabel zusammengeknotet hat. Sie blickt zu mir auf und lächelt.
    Ich wache auf.
    Das Laternenlicht fällt durch mein Fenster. Mein Zimmer ist grau und voller Schatten. Der Radiowecker zeigt 6.35 Uhr an. Es ist Sonntag, der dritte Advent. Mein Herz klopft. Ich denke an Vivien. Dann höre ich wieder das Holz. Ein Hacken. Ein Hämmern. Ich kneife mich. Diesmal ist es echt. Nebenan leuchtet Flo mit der Taschenlampe zu mir rüber. Auch Lukas ist wach. Ich öffne mein Fenster und rufe, so leise es geht: »Ist das bei dir?«
    Flo sagt: »Weiß nicht. Ich trau mich nicht, alleine nachzusehen.«
    Lukas grummelt: »Boah, heiliger Götze!«
    Wir ziehen uns was über und treffen uns bei Flo an der Haustür. Unsere Eltern merken nichts. Es ist sehr kalt. Holz splittert erneut. Leise schleichen wir um das Haus, da das Geräusch tatsächlich aus Flos und Sophias Garten kommt. Lukas hat einen Baseballschläger mitgebracht, von seinen kleinen Geschwistern. Venja und Alex spielen nicht mal Baseball. Sie benutzen ihn nur, um ihn sich gegenseitig über den Schädel zu treiben. Dafür reicht er. Er ist von Toys ’ R’ Us. Wir betreten den Garten und sehen nun, woher das Geräusch kommt. Der Verursacher hat zwei große Baulampen aufgestellt, die gezielt das Baumhaus und den Holzhaufen erhellen. Er sägt Äste passend und hämmert sie in die dritte Wand, die bis eben noch die zweieinhalbe Wand war.
    Es ist Heiner.
    Heiner hämmert.
    Am dritten Advent, um 6.30 Uhr morgens, in Eiseskälte. Sein Atem kringelt sich in kleinen Wölkchen um seinen Mund. Er bemerkt uns und macht einfach weiter. Konzentriert. Sorgsam. Wie immer. Im Schlafzimmer von Sophia geht das Licht an. Dann im Wohnzimmer. In ihrem roten Seidenmantel erscheint sie in der Terrassentür, die Augen so schmal, dass ein Chinese dagegen
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