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Fiesta

Fiesta

Titel: Fiesta
Autoren: Ernest Hemingway
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war lange nicht mehr so nett und einfach wie früher. Seine Verleger hatten seinen Roman sehr gelobt, und das war ihm zu Kopf gestiegen. Dann hatten verschiedene Frauen es darauf angelegt, ihm den Hof zu machen, und sein Horizont hatte sich vollkommen gewandelt. Vier Jahre hatte es für ihn nur seine Frau gegeben. Drei Jahre oder beinahe so lange hatte er nur Augen für Frances gehabt. Sicherlich war er in seinem ganzen Leben nie verliebt gewesen.
    Er hatte aus Reaktion gegen die gräßlichen Universitätsjahre geheiratet und war dann Frances nach seiner Entdeckung, daß er seiner ersten Frau gar nicht alles bedeutet hatte, auch aus Reaktion in die Hände gefallen. Er war noch nicht verliebt, aber es war ihm klargeworden, daß Frauen ihn anziehend fanden und daß die Tatsache, daß eine Frau ihn nett fand und mit ihm zusammen leben wollte, gar nicht einzig und allein ein göttliches Wunder war. Das alles hatte ihn so verändert, daß seine Gesellschaft lange nicht mehr so angenehm war wie früher. Außerdem hatte er mit einigen Bekannten in ein paar riesig feschen Bridgepartien zu viel höheren Einsätzen gespielt, als er es sich eigentlich leisten konnte, hatte fabelhafte Karten gehabt und mehrere hundert Dollar gewonnen. Das hatte ihn auf seine Bridgebegabung eitel gemacht, und er sagte mehrere Male, daß es doch ein leichtes sei, wenn es sein müsse, seinen Unterhalt durch Bridgespielen zu bestreiten.
    Dann kam noch etwas hinzu. Er hatte W. E. Hudson gelesen. Das hört sich eigentlich ganz harmlos an, aber Cohn hatte Das purpurne Land wieder und wieder gelesen. Das purpurne Land ist ein verderbenbringendes Buch, wenn man es zu spät im Leben in die Hände bekommt. Es berichtet von herrlich eingebildeten Liebesabenteuern eines vollkommenen englischen Gentleman in einem völlig romantischen Land, dessen Natur ausgezeichnet geschildert ist. Aber als Lebensführer für einen Vierunddreißigjährigen ist es ebenso wenig geeignet wie die gesammelten Schriften des Horatio Alger es für einen Mann des gleichen Alters wären, der damit aus einer französischen Klosterschule direkt nach Wall Street versetzt wird. Ich glaube, Cohn nahm jedes Wort in Das Purpurne Land für bare Münze, wie einen Bericht aus einem offiziellen Informationsbüro. Sie verstehen mich, natürlich machte er ein paar Vorbehalte, aber im ganzen nahm er das Buch ernst. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ich hatte gar nicht kapiert, wie stark es ihn gepackt hatte, bis er eines Tages bei mir im Büro erschien.
    «Tag, Robert», sagte ich, «na, kommst du, um mich ein bißchen in Stimmung zu bringen?»
    «Hast du Lust, nach Südamerika zu fahren, Jake?» fragte er.
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Ich weiß nicht. Wollte nie. Zu teuer. Außerdem kannst du hier in Paris so viele Südamerikaner sehen wie dein Herz begehrt.»
    «Das sind keine echten Südamerikaner.»
    «Mir sehen sie furchtbar echt aus.»
    Meine kleinen Geschichten, die ich jede Woche mit der Post schickte, sollten den Schiffszug erreichen, und ich hatte erst die Hälfte geschrieben.
    «Weißt du irgendwelchen Klatsch?» fragte ich.
    «Nein.»
    «Keiner deiner vornehmen Bekannten, der sich scheiden läßt?»
    «Nein, hör mal zu, Jake. Wenn ich für uns beide bezahle, kommst du dann mit nach Südamerika?»
    «Warum denn ich?»
    «Du sprichst Spanisch. Und zu zweit ist es viel netter.»
    «Nein», sagte ich, «ich bin gern in Paris, und im Sommer fahre ich nach Spanien.»
    «Mein ganzes Leben lang wollte ich so eine Reise machen», sagte Cohn und setzte sich. «Ich werde zu alt, bevor was daraus wird.»
    «Sei nicht so dumm», sagte ich. «Du kannst doch reisen, wohin du willst, du hast doch genug Geld.»
    «Stimmt schon, aber ich komme nicht weg.»
    «Na, nur Mut», sagte ich. «Weißt du, alle Länder sehen genauso aus wie im Kino.» Aber er tat mir leid. Es hatte ihn schlimm gepackt.
    «Es macht mich verrückt, wenn ich daran denke, wie schnell das Leben vorbei ist und daß ich eigentlich gar nicht richtig lebe.»
    «Außer Stierkämpfern lebt kein Mensch immer in Ekstase.»
    «Stierkämpfer gehen mich nichts an. Das ist ein unnormales Leben. Ich will aufs Land in Südamerika. Wir könnten eine herrliche Reise machen.»
    «Hast du je daran gedacht, nach Britisch-Ostafrika auf Jagd zu gehen?»
    «Nein, das würde mir keinen Spaß machen.»
    «Dahin würde ich mitkommen.»
    «Nein, das interessiert mich nicht.»
    «Weil du nie ein Buch darüber gelesen hast. Los, lies mal ein Buch mit lauter
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