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Fey 09: Die roten Klippen

Fey 09: Die roten Klippen

Titel: Fey 09: Die roten Klippen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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verändert. Er war bei der Eroberung ganz anders vorgegangen als sonst. Er hatte das Land verwüstet und seine Bewohner auf eine Weise abschlachten lassen, die sogar bei den Fey unüblich war. Angeblich alles wegen seiner Urenkel. Sie seien der eigentliche Grund seines Kommens, hatte er behauptet, nicht die Tatsache, daß die Blaue Insel der einzige Anlaufpunkt im Infrin-Meer auf dem Weg nach Leutia war.
    Rugad hatte eine Entscheidung nach der anderen getroffen, mit der Seger nicht einverstanden war. Natürlich war es nicht wichtig, ob sie einverstanden war, rief sie sich in Erinnerung.
    Schließlich war Rugad der Schwarze König. Sie schuldete ihm Treue bis in den Tod.
    Ohne nachzudenken, hob sie die Hand wieder. Ihre Finger zitterten. Unendlich langsam führte sie die Hand über das Steinquadrat. Dann, noch langsamer, knickte sie den Zeigefinger ab und tippte mit der Kuppe auf den Stein im Zentrum des Vierecks.
    Er war warm, fast heiß.
    Seger zog sofort die Hand weg und preßte sie an die Brust.
    »Ihr Mächte und Mysterien, sagt mir, was ich tun soll«, flüsterte sie.
    Aber die Mächte und Mysterien hatten bereits zu ihr gesprochen. Und was sie ihr befahlen, gefiel Seger ganz und gar nicht.

 
34
     
     
    Sie fingen im hinteren Teil der Höhle an, wo es dunkler war und der eigenartig schimmernde Fels weniger Energie auszustrahlen schien. Dafür war es dort schmutzig und voller Spinnweben.
    Nicholas fühlte sich in dem dämmrigen Licht unwohl, aber das spielte jetzt keine Rolle. Er hockte sich neben Adrian auf den Steinfußboden und betrachtete die Wandteppiche – wunderschöne, kunstvoll gewebte Stücke. Nicholas erinnerte sich an die Wandteppiche, die seine Großmutter gestickt hatte. Im Palast hatten sie als dekorative Vorhänge gedient. Damals hatte er weniger auf die handwerkliche Kunstfertigkeit als auf die dargestellten Szenen geachtet. Natürlich gab es ältere Stücke und auch welche neueren Datums, die seine Stiefmutter, die zweite Frau seines Vaters, angefertigt hatte. Jewel dagegen hatte sich nie mit Handarbeiten beschäftigt. Als die Hofdamen sich mit ihr über Stickmuster unterhalten wollten, hatte sie bloß gelacht.
    Ich habe die Hände einer Kriegerin, hatte sie stolz erwidert. Meine Hände taugen nicht für so feine Arbeiten.
    Trotzdem war an den fein gewirkten Stoffen hier in der Höhle etwas Besonderes. Sie hatten etwas zu bedeuten, angefangen damit, daß Nicholas überhaupt nicht beurteilen konnte, wie alt sie eigentlich waren. Die ältesten Teppiche im Palast fielen bereits auseinander. Eine der Hofdamen hatte schließlich ihre eigenen Näherinnen beauftragt, die kostbaren Stücke auszubessern, bevor sie für immer verloren waren. Nicholas hatte noch den muffigen Geruch in der Nase, spürte noch die knittrige Leinwand zwischen den Fingern. Regen und Wind hatten das Gewebe im Lauf der Jahre angegriffen, die Farben waren vom Sonnenlicht ausgeblichen.
    Um die meisten Teppiche war es nicht schade gewesen: Schlachtenszenen aus der Zeit des Bauernaufstands; ein langweiliger Hochzeitsteppich nach dem anderen; Geburtsteppiche für jeden Thronerben – außer für Sebastian natürlich, denn seine Mutter hatte ja die Hände einer Kriegerin.
    Nicholas runzelte die Stirn. Er hatte die Aufgabe übernommen, sich mit den Teppichen zu befassen, weil Adrian sich mit dergleichen überhaupt nicht auskannte. Adrian war auf einem Bauernhof aufgewachsen, der von einem am Ort ansässigen Daniten betreut wurde. Seine religiöse Erziehung unterschied sich grundlegend von der, die Nicholas zuteil geworden war. Nicholas hatte Religionswissenschaft so gründlich studiert, als wäre es Mathematik. Sein Vater hatte das als wichtige Voraussetzung für den zukünftigen Herrscher der Blauen Insel betrachtet.
    Aber das alles lag schon zwanzig Jahre zurück. Seit Nicholas’ Hochzeit mit Jewel hatte er den Tabernakel nicht mehr betreten, und nachdem Matthias Jewel ermordet hatte, hatte Nicholas jede Erwähnung des Rocaanismus innerhalb des Palastes strengstens untersagt.
    Er hatte so vieles vergessen, was jetzt von Bedeutung sein konnte.
    Er saß am Anfang eines Ganges, der mehrere Treppenabsätze abwärts führte. Aus der dunklen Tiefe stieg eisige Kälte auf. Nicholas wollte gern vermeiden, die Stufen allein hinunterzusteigen, es sei denn, es war absolut unumgänglich. Diese Höhle war wirklich ein erstaunlicher Ort. Die Durchgänge, Korridore und Nebenräume schienen kein Ende nehmen zu wollen. Nicholas und seine kleine
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