Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Quintessenz, nach der sich Geisterjäger richteten. Sentimentale Anthropomorphismen konnte man sich in meinem Gewerbe nicht leisten.
Aber vernunftbegabt oder nicht, eine Begegnung mit einem Geist konnte eine verstörende, um nicht zu sagen unterwäschedurchnässende Erfahrung sein. An dieser Stelle kamen die Exorzisten zum Zuge, und zwar sowohl die amtlichen, von der Kirche unterstützten, die sich meist als Idioten oder Fanatiker entpuppen, als auch die Freiberufler wie ich, die wussten, was sie taten.
Meine Berufung zeigte sich am Tag nach meinem sechsten Geburtstag, als ich es leid war, das Bett mit meiner toten Schwester Katie zu teilen, die ein Jahr zuvor von einem Lastwagen überfahren worden war, und sie verscheuchte, indem ich sie mit lauthals geschrienen fäkalsprachlichen Kinderreimen überschüttete. Ja, ich weiß. Wenn es je einen Giftbecher gab, der mit einem Aufkleber versehen war, der vor gefährlichen Chemikalien warnte, dann ist er mir bisher noch nicht untergekommen.
Aber wie viele Menschen kennen Sie, die sich wirklich aussuchen können, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen? Mein Berufsberater hatte mir empfohlen, ins Hotelgewerbe zu gehen, also wurde ich Exorzist.
Bis jetzt. Ich gönnte mir eine Auszeit. Etwa anderthalb Jahre zuvor hatte ich mir ziemlich heftig die Finger verbrannt, und ich hatte keine Eile, wieder damit anzufangen, mit dem Feuer zu spielen. Ich sagte mir, ich hätte mich zur Ruhe gesetzt, und das redete ich mir fast jeden Tag aufs Neue ein.
*
Daher war – während ich der Stimme dieses gesetzten ehrbaren Bürgers lauschte, der sich in der Londoner Nacht auf der Suche nach Hilfe an mich gewandt hatte – mein erster Gedanke, wie zum Teufel ich ihn abwimmeln konnte. Der zweite Gedanke beinhaltete, dass ich von Glück reden konnte, dass er nicht persönlich erschienen war, da ich immer noch als Clown verkleidet herumlief. Andererseits hätte höchstwahrscheinlich der zweite Gedanke meinem ersten behilflich sein können.
»Mister Castor, wir haben ein Problem«, erklärte die Stimme mit einem überzeugenden Unterton von Furcht und Kummer. War das ein königliches Wir, oder meinte er nur sich und mich? Das wäre für einen ersten Kontakt doch eher aufdringlich.
»Das tut mir leid für Sie«, antwortete ich. Aber da die beste Verteidigung immer ein guter Angriff war, fuhr ich fort: »Meine Auftragsbücher sind zur Zeit recht voll. Ich glaube nicht, dass …«
Diese Bedenken machte er zunichte, lange bevor ich zum Punkt kam. »Mir fällt es schwer, das zu glauben«, blaffte er. »Sehr schwer. Sie gehen nie ans Telefon. Ich rufe seit vier Tagen dauernd an, und Sie nehmen nie ab. Sie haben keinen Anrufbeantworter und benutzen noch nicht mal einen Voicemail-Service. Wie können Sie überhaupt Aufträge annehmen?«
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre mir diese Litanei willkommen gewesen. Ein Kunde, der vier Tage hinter mir her telefoniert, hätte sicherlich eine Menge in sein Anliegen investiert, was die Wahrscheinlichkeit erhöht hätte, den Auftrag anzunehmen und auch auszuführen.
Zu jeder anderen Zeit.
Selbst jetzt, während ich mir eine Antwort überlegte, spürte ich das vertraute Beschleunigen meines Pulsschlags; das bekannte Gefühl, auf einem Sprungbrett zu stehen und nach unten zu blicken. Nur würde ich diesmal nicht springen.
»Ich nehme im Augenblick keine weiteren Klienten an«, wiederholte ich nach einer unwesentlich zu langen Pause. »Wenn Sie mir Ihr Problem schildern, kann ich Ihnen möglicherweise jemanden empfehlen, der Ihnen helfen kann, Mr …?«
»Peele. Jeffrey Peele. Ich bin der Verwaltungschef des Bonnington-Archivs. Aber ich wende mich aufgrund einer persönlichen Empfehlung an Sie. Ich bin nicht gewillt, möglicherweise eine dritte Partei zu engagieren, die mir völlig unbekannt ist.«
»Wie schade«, dachte ich.
»Es ist das Beste, was ich in Ihrem Fall tun kann«, sagte ich laut. Ich ließ den Stapel Briefe, den ich noch immer in der Hand hielt, auf den Schreibtisch fallen, wobei der dumpfe Ton verriet, wie leer er war. Ich wollte die Sache beenden und mich weiter um meine Angelegenheiten kümmern. »Warum brauchen Sie einen Exorzisten?«, fragte ich.
Das schien Peele noch mehr in Rage zu bringen. »Weil wir einen Geist haben!«, sagte er, und seine Stimme klang jetzt ein wenig schrill. »Was meinen Sie denn, weshalb?«
Ich beschloss, die Frage im Raum stehen zu lassen. Er wäre überrascht gewesen. Aber wilde Geschichten zu erzählen,
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