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Feind

Feind

Titel: Feind
Autoren: Robert Corvus
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Rüstung umgab. Die
kleinen Falten an seinen Augen verrieten, dass er gern lachte.
    »Bald wirst du ein Paladin sein!« Nalaji war so aufgeregt, dass sie
wieder zu hüpfen begann. Trotzdem gab es einen spitzbübischen Zug in ihrem
Lächeln. »Muss ich dich dann eigentlich mit ›Ihr, Herr Paladin‹ anreden?«
    »Unterstehe dich! Sonst räche ich mich nach deiner Weihe mit einem
›Ihr, hochwürdige Mutter‹!«
    Nalajis Lachen war glockenhell. »Vielleicht ist es mir den Spaß
wert! Immerhin dauert es noch fast zwei Jahre bis zu meiner Weihe. Bis dahin
hättest du es bestimmt vergessen.«
    »Von wegen. Paladine sind für ihr gutes Gedächtnis bekannt! Außerdem
würde ich so eine unterkühlte Anrede sicher meinem Rubin anvertrauen, sodass
ich mich immer erinnern würde, wenn ich die Gedanken meines ersten Tages als
Paladin hören würde.«
    Ajina hielt sich zurück, während die beiden weiter harmlose Scherze
austauschten. Schließlich erreichten sie den Retadar, über den sich an dieser
Stelle die Atredes-Brücke spannte. Die Statuen der Patrone der namensgebenden
Stifterfamilie waren für das bevorstehende Fest vom Vogeldreck gereinigt
worden. Bedienstete zogen Togen aus feinem Stoff über die steinernen
Honoratioren. Jeder, der am Festtag die Brücke überquerte, sollte den Reichtum
der Familie sehen.
    Auch die Fischer und Flusshändler würden von den Feierlichkeiten
profitieren. Der Retadar floss mitten durch die Stadt und war deswegen immer
eine wichtige Verkehrsader, zumal er Akene mit dem Perlsee verband.
    »Ich glaube, mein Schnürriemen hat sich gelöst«, log Ajina und
hockte sich nieder, um den beiden Turteltauben eine Gelegenheit zu verschaffen.
»Geht schon einmal vor, ich hole euch dann ein.« Der Zug war bereits einhundert
Schritt voraus. Narron schien seine Trauerpflicht geringer zu gewichten als das
unbeschwerte Gespräch mit Nalaji, was dieser sichtlich gefiel.
    Ajina ließ sich Zeit damit, die Riemen neu zu ordnen, die sich
kunstvoll um ihren schlanken Unterschenkel wanden. Dazu musste sie die Toga ein
wenig lüpfen, was ihr beifällige Bemerkungen von einigen jungen Burschen
eintrug, die schon in Feststimmung waren.
    Nalaji und Narron machten auf der Mitte der Brücke halt. Sie stellte
sich übertrieben ungeschickt an, damit er ihre Taille umfasste und ihr half,
sich auf die Brüstung zu setzen. Sie stützte sich mit nach hinten abgewinkelten
Armen ab und legte den Kopf leicht in den Nacken.
    Lächelnd wandte sich Ajina ihrer anderen Sandale zu. Schließlich
konnte sie unmöglich auf der linken Seite schlampig gekleidet bleiben, wo sie
doch jetzt die rechte so sorgfältig hergerichtet hatte.
    Als sie aufsah, hatte sich etwas merklich verändert. Fast schon
hatte sich Ajina entschlossen, allein zum Tempel der Mondmutter zu gehen, aber
vielleicht war das doch keine gute Idee. Die beiden tauschten keine zärtlichen
Küsse. Narron vollführte stattdessen große Gesten, die Ajina an Schwerthiebe
erinnerten, während er auf Nalaji einredete, die sich nur dadurch an dem
Gespräch beteiligte, dass sie ab und zu nickte. Ajina blieb ratlos stehen, wo
sie war, bis Narron nach einer Weile zum Ende zu kommen schien. Unterdessen war
Nalaji immer weiter in sich zusammengesackt. Als Ajina sie erreichte, war ihr
Rücken rund wie ein Halbmond.
    Narron half Nalaji von der Brüstung herunter, indem er ihr seinen
Arm bot, an dem sie sich festhalten konnte, bis sie wieder festen Grund unter
den Füßen hatte. Den Rest des Weges zum Tempelplatz legten die drei schweigend
zurück. Sobald sie ihn erreichten, verabschiedete sich Narron mit knappen
Worten und ging in die Ritterhalle, um sich, wie er sagte, auf die
bevorstehende Zeremonie vorzubereiten.
    Nalaji sagte noch immer nichts, als die beiden Adeptae den Tempel
betraten. Die Waffen waren in die Schmieden gebracht, wo man jetzt das
Mondsilber herauslösen würde. Die Prozession hatte sich aufgelöst, einzelne
ihrer Mitglieder standen noch beisammen oder beteten still in den Nischen vor
den Bildnissen der Heiligen und Halbgötter. In stummer Übereinstimmung lenkten
die Freundinnen ihre Schritte in die Kapelle der Silbernen Läuterung.
    Hier hielt Nalaji ihre Tränen nicht länger zurück. »Er will mich
nicht zur Witwe machen!«, schluchzte sie.
    »Jetzt beruhige dich erst einmal«, flüsterte Ajina, drückte sie auf
eine Bank und setzte sich neben sie. »Was hat er denn nun gesagt?«
    »Dass er in den Silberkrieg will! In den Norden! Nach Guardaja! So
wie
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