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Farmer, Philip José - Flusswelt 05

Farmer, Philip José - Flusswelt 05

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Autoren: Die Götter der Flußwelt
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klassischer - hebräischer, nicht griechischer - Spruch lautete: »Es gibt nichts Neues unter der Sonne.«
    Der alte Prediger hatte nie von der Evolution gehört, daher wußte er nicht, daß gelegentlich neue, der Sonne unbekannte Arten auftauchten. Überdies hatte er übersehen, daß jedes neugeborene Kind einzigartig - und mithin neu - war, ob unter der Sonne oder unter dem Mond. Wie alle Weisen hatte der Prediger nur halbe Wahrheiten ausgesprochen.
    Mit den Worten, es gäbe eine Zeit zum Handeln und eine Zeit zum Abwarten, hatte er die ganze Wahrheit gesagt. Jedenfalls dann, wenn man nicht gerade ein griechischer Philosoph war, der darauf hinwies, daß das Abwarten an sich schon ein Handeln ist. Der Unterschied zwischen der Philosophie der Griechen und Hebräer liegt in ihrer verschiedenartigen Einstellungen zur Welt. Heraklit interessierte sich für abstrakte Ethik; der Prediger für praktische. Der erste betonte das Warum, der zweite das Wie.
    Es ist möglich, dachte Burton, in dieser Welt zu leben und sich nur über das Wie Gedanken zu machen. Aber ein ganzer Mensch, ein solcher, der sein gesamtes Potential verstehen lernen will, wird auch das Warum erkunden. Die momentane Situation verlangte nach dem Warum und nach dem Wie. Wenn es ihm am ersten mangelte, konnte er mit dem zweiten allein nicht anständig funktionieren.
    Hier war er also, mit sieben anderen Erdgeborenen, in einem Turm, der sich im Mittelpunkt eines Sees am Nordpol dieser Welt befand. Der See hatte einen Durchmesser von etwa einhundert Kilometern und wurde von einem lückenlosen Gebirgsring umgeben, dessen Gipfel Höhen von sechstausend Metern erreichten. In diesem See verlor der Fluß fast all seine Wärme, bevor er sich aus dem anderen Ende ergoß und selbige wieder aufnahm. Dicke Nebelschwaden -
    wie die vor den Toren der Hölle - verbargen den Turm, der sich mehr als sechzehn Kilometer über die Seeoberfläche erhob. Unter dem Wasserspiegel und tief in die Erde hinab erstreckte er sich mindestens weitere acht Kilometer, wenn nicht gar mehr.
    Im Mittelpunkt des Turms befand sich ein Schacht, der im Moment einige Milliarden Wathans beherbergte. Wathans. Die Bezeichnung der Ethiker für die künstlichen Seelen, die eine seit Millionen Jahren ausgelöschte Rasse geschaffen hatte. Irgendwo in der Nähe des Turms, tief unter der Erde, befanden sich gewaltige Kammern, in denen die Körperaufzeichnungen jedes der über fünfunddreißig Milliarden Menschen, die von 100.000 v. Chr. bis 1983 n. Chr. auf der Erde gelebt hatten, aufbewahrt wurden.
    Wenn jemand auf der Flußwelt starb, reproduzierte der Wiedererwecker den Körper dieser Person mit Hilfe eines Masse-Energie-Konverters und der betreffenden Aufzeichnung am Ufer des Flusses. Das Wathan, die synthetische Seele, das unsichtbare Gebilde, das alles enthielt, was das Bewußtsein der Person ausmachte, flog sofort zu dem Körper, von ihm angezogen wie Eisen von einem Magneten. Und der Mann oder die Frau, vierundzwanzig Stunden vorher noch tot, lebte wieder.
    Burton hatte mehr Tode erfahren als irgendein anderer der über fünfunddreißig Milliarden Menschen. Jemand, der siebenhundertsiebenundsiebzigmal gestorben war, konnte einen Rekord für sich beanspruchen. Obwohl er öfter als irgendein anderer tot gewesen war, gab es nur wenige, die auf der Erde und der Flußwelt so intensiv gelebt hatten wie er. Seine Tage der Triumphe und des Glücks waren gering gewesen; die der Niederlagen und Verzweiflung häufig. Obwohl er einst geschrieben hatte, daß sich die schlechten und guten Dinge des Lebens die Waage hielten, überwogen im Geschäftsbuch seines Lebens die roten Zahlen die schwarzen bei weitem. Burtons Buch zeigte ein Defizit, eine deutliche Unausgewogenheit. Aber was auch geschehen war, er hatte sich geweigert, den Bankrott hinzunehmen. Er wußte nicht, warum er stets weiterkämpfte, warum er so verzweifelt am Leben bleiben wollte. Vielleicht deswegen, weil er darauf hoffte, das Buch eines Tages auszugleichen.
    Und danach?
    Er wußte es nicht, aber es war dieses Danach, das seine Flamme speiste.
    Hier war er, einer Horde Gespenster auf der Spur. Von Mächten, die er nicht verstanden hatte und noch immer nicht verstand, in dieses gewaltige Gebäude auf der Spitze dieser Welt gebracht. Es war nur für einen Zweck errichtet worden: den Terrestriern eine Chance auf die Unsterblichkeit zu gewähren. Keine körperliche Ewigkeit, sondern eine Rückkehr, vielleicht eine Absorption, zum -beziehungsweise in
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