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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere
Autoren: George Orwell
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hören, was er sagte.
    Bis auf Moses, den zahmen Raben, der auf einer Vogelstange bei der Hintertür schlief, waren jetzt alle Tiere anwesend. Als Major sah, daß alle es sich bequem gemacht hatten und gespannt warteten, räusperte er sich und begann:
    »Genossen, ihr habt schon von dem sonderbaren Traum vernommen, den ich letzte Nacht hatte. Doch auf den Traum komme ich später zu sprechen. Zuerst habe ich euch noch etwas anderes zu sagen. Ich glaube nicht, Genossen, daß ich noch sehr viele Monate unter euch weilen werde, und bevor ich sterbe, halte ich es für meine Pflicht, euch die Weisheit weiterzugeben, die ich mir erworben habe. Hinter mir liegt ein langes Leben, ich hatte viel Zeit nachzudenken, während ich allein in meinem Koben lag, und ich darf wohl von mir behaupten, daß ich die Natur des Daseins auf dieser Erde ebensogut begreife wie nur irgendein heute lebendes Tier. Und darüber möchte ich zu euch sprechen.
    Nun, Genossen, wie ist die Natur dieses unseres Lebens?
    Seien wir ehrlich: unser Leben ist elend, mühevoll und kurz.
    Wir werden geboren, wir bekommen gerade soviel Futter, daß uns die Puste nicht ausgeht, und wer von uns dazu geeignet ist, wird gezwungen, bis zum letzten Deut seiner Kraft zu schuften; und just in dem Augenblick, wo es mit unserer Nützlichkeit aus ist, werden wir mit scheußlicher Grausamkeit hingeschlachtet.
    Wenn es erst einmal ein Jahr alt geworden ist, hat kein Tier in England mehr eine Vorstellung von Muße und Glück. Kein Tier in England ist frei. Das Leben eines Tieres ist Jammer und Sklaverei: das ist die nackte Wahrheit.
    Doch liegt dies einfach in der Ordnung der Natur? Liegt es daran, daß dieses unser Land zu arm ist, um denen, die es bevölkern, ein anständiges Leben bieten zu können? Nein, Genossen, und tausendmal nein! Englands Boden ist fruchtbar, sein Klima ist gut, es ist durchaus imstande, einer unvergleichlich größeren Zahl von Tieren als jetzt darauf wohnen Futter im Überfluß zu bieten. Unsere eine Farm hier würde ein Dutzend Pferde, zwanzig Kühe, Hunderte von Schafen ernähren - und alle würden sie in einer Bequemlichkeit und Würde leben, die wir uns jetzt kaum vorzustellen vermögen.
    Warum also leben wir in diesem elenden Zustand weiter? Weil uns fast das gesamte Produkt unserer Arbeit von Menschen gestohlen wird. Darin, Genossen, liegt die Antwort auf all unsere Probleme. Sie läßt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen — Mensch. Der Mensch ist unser einzig wirklicher Feind. Laßt den Menschen von der Bildfläche verschwinden, und der Urgrund von Hunger und Überarbeitung ist ein für alle mal beseitigt.
    Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das konsumiert, ohne zu produzieren. Er gibt keine Milch, er legt keine Eier, er ist zu schwach, den Pflug zu ziehen, er läuft nicht schnell genug, um Kaninchen zu fangen. Und doch ist er Herr über alle Tiere. Er schickt sie an die Arbeit und läßt ihnen dafür das bare Existenzminimum, damit sie ihm nicht verhungern, und den Rest behält er für sich. Unsere Arbeit ackert den Boden, unser Dung düngt ihn, und doch gibt es keinen unter uns, der mehr besäße als die nackte Haut. Ihr Kühe dort vor mir, wie viele tausend Gallonen Milch habt ihr in diesem letzten Jahr gegeben?
    Und was ist mit jener Milch geschehen, mit der robuste Kälbchen hätten großgezogen werden sollen? Jeder Tropfen davon ist die Kehlen unserer Feinde hinuntergeronnen. Und ihr Hennen, wie viele Eier habt ihr in diesem letzten Jahr gelegt, und aus wie vielen dieser Eier sind je Küken geschlüpft? Alle übrigen sind auf den Markt gewandert, um Jones und seinen Leuten Geld zu bringen. Und du, Kleeblatt, wo sind die vier Fohlen, die du geboren hast und die die Stütze und Erbauung deines Alters hätten sein sollen? Ein jedes wurde verkauft, als es ein Jahr alt war - du wirst keins von ihnen jemals mehr wiedersehen. Was hast du als Dank für deine vier Niederkünfte und all deine Feldarbeit je anderes erhalten als die kargen Rationen und einen Stall?
    Und nicht einmal das elende Leben, das wir fristen, darf seine natürliche Spanne währen. Ich, für mein Teil, murre nicht, denn ich gehöre zu den Glücklichen. Ich bin zwölf Jahre alt und habe über vierhundert Kinder gehabt. So verläuft ein natürliches Schweineleben. Doch am Ende entgeht kein Tier dem grausamen Messer. Ihr jungen Mastferkel, die ihr da vor mir sitzt, binnen einem Jahr wird ein jedes von euch sein Leben auf dem Hackklotz ausquieken. Dieses Grauen
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