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Farben der Liebe

Farben der Liebe

Titel: Farben der Liebe
Autoren: Ashan Delon , Chris P. Rolls , Moos Rose , Karo Stein , Karolina Peli , Karuto Nuel , Gerry Stratmann , Caitlin Daray , Kuschelgang
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Fahrstuhlgeflüster  
    Silbergrau  
    von Karo Stein  
     
    Ich bin nicht schwul! Wieder und wieder rast der Satz durch mein Gehirn, aber aus irgendeinem Grund bringt er nicht die erhoffte Erleichterung. Nicht schwul! Ich weiß es genau. Denn schwul zu sein bedeutet, nicht normal zu sein. Und ich bin normal. Verdammt normal. Mit mir ist alles in Ordnung. Ich bin ausgeglichen und aufgeräumt. Noch aufgeräumter und mein Körper wäre eines dieser absolut hermetisch abgeriegelten und Blitz blank geputzten, keimfreien Labore.
    Normal ist das Wort, das meine Nerven beruhigt.
    Ich wehre mich gegen die Stimme meines alten Philosophieprofessors in meinem Kopf, der mich mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht nach einer Definition des Wortes gefragt hätte. Philosophie habe ich ohnehin immer gehasst. Verschwendete Lebenszeit, die ich nie wieder aufholen kann. Was bringt es mir, die Welt in tausend Einzelteile zu zergliedern, wenn es doch auch mit wenigen Kategorien geht: Gut und Böse, normal und unnormal, hetero und schwul, schwarz und weiß. Ich hasse grau!
    Ich bin ein guter, normaler und heterosexueller Mann, und wenn ich es mir nur intensiv genug einrede, dann funktioniert es auch wieder.
    Denn im Moment steht meine Welt auf dem Kopf. Je mehr ich versuche, wieder in die richtige Umlaufbahn zu kommen, umso weiter drifte ich davon ab. Mein Blitz blank keimfreies Inneres hat sich in die Brutstätte der Hölle verwandelt. Allein für die Gedanken werde ich für den Rest meines Daseins dort schmoren. Ich bin ein Christ und glaube an die damit verbundenen Werte. Ich weiß, was richtig und falsch ist. Meine Eltern haben mich mit bestem Wissen und Gewissen erzogen. Mein Umfeld ist genau wie ich. Wir sind die guten und normalen, die Gläubigen, die wissen, wie ein anständiges Leben auszusehen hat.
    Familie ist das wichtigste im Leben. Das ist es, wonach ich strebe. Ganz klassisch, nichts Abgedrehtes, nichts Besonderes … normal eben. Ich weiß, wie die Welt funktioniert, ich kenne mich aus mit den Naturgesetzen und diese besagen, dass ein Mann und eine Frau Kinder kriegen, dass sie gemeinsam durchs Leben gehen, die Kinder groß ziehen … so wie es die Generationen vor mir getan haben und so wie es die späteren Generationen auch tun werden. Ich mag Frauen, stehe auf Brüste und Mösen. Auch wenn ich noch nicht die Richtige gefunden habe, ich bin mir sicher, dass sie irgendwo da draußen ist. Ich werde sie finden und heiraten … und bis dahin noch ein wenig ausprobieren. Das machen alle in meinem Alter. Ich bin schließlich ein Kerl, stark und voller Saft. Ich brauche Sex … Sex mit Frauen!
    Meine Gedanken fahren Achterbahn, bringen mich trotz aller Wut zum Grinsen. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann meine christliche Erziehung jemals als Argument herhalten musste. Ich gehe seit Jahren nur noch an Weihnachten in die Kirche, weil meine Eltern es so wollen, weil es ihnen wichtig ist. Religion spielt in meinem Alltag so gut wie keine Rolle. Und heiraten? Das steht erst auf dem Plan, wenn sich die vordere Zwei meines Alters in eine Drei verwandelt hat. Auch, wenn es nur noch zwei Jahre sind, bleibt doch trotzdem genügend Zeit. Davon abgesehen gibt es überhaupt keinen Zweifel an meiner sexuellen Orientierung.
    Ich bin nicht schwul.
    Männer sind nur gute Kumpels, mit denen man hin und wieder ein Bier trinkt, über Fußball, Sex und Weiber redet. So wie Kalle, Matze und ich. Samstags machen wir Party, sonntags wird gebolzt und mittwochs ein Bier in unserer Stammkneipe getrunken. Und wenn es passt, treffen wir uns dazwischen zum Zocken oder hängen einfach nur zusammen ab.
    Wieso musste Matze vor drei Wochen seinen Bruder mitbringen? Ich wusste sofort, dass er nicht zu uns passt, mit seiner schüchternen Art. Obwohl schüchtern nicht das richtige Wort ist, zurückhaltend trifft es wohl eher. Anders als wir, wenngleich ich das „Anders“ zuerst nicht einordnen konnte.
    Aggressiv bearbeite ich den Knopf des Fahrstuhls, der mich nach unten bringen soll. Wieso muss der Idiot auch in der zehnten Etage wohnen? Wichtiger ist allerdings die Frage, was ich hier mache? Wieso habe ich mich auf diesen Videoabend eingelassen? Bloß weil Matze und Kalle ohne mich diese Tour mit dem Mountainbike machen? Dabei war schon lange klar, dass ich an diesem Wochenende keine Zeit haben werde, dass ich lernen muss, damit ich diese verdammte Weiterbildung, die mir mein Chef aufs Auge gedrückt hat, auch bestehe. Aber gegen ein klein
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