Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fabelheim: Roman (German Edition)

Fabelheim: Roman (German Edition)

Titel: Fabelheim: Roman (German Edition)
Autoren: Brandon Mull
Vom Netzwerk:
Das Tretboot trieb mitten auf dem See. Feen huschten über die Oberfläche des Wassers und schwebten zwischen den Pavillons umher.
    »Ich bin neugierig, welche anderen Veränderungen die Feen in dir bewirkt haben«, sagte Opa. »Ich habe noch nie von etwas Derartigem gehört. Du wirst es mich wissen lassen, wenn du irgendwelche anderen Merkwürdigkeiten entdeckst?«
    »Wie zum Beispiel, wenn ich Seth wieder in ein Walross verwandele?«
    »Ich bin froh, dass du darüber scherzen kannst, aber ich meine es ernst.«
    Sie gingen die Stufen des am nächsten stehenden Pavillons hinauf. »Soll ich sie einfach hineinwerfen?«, fragte Kendra.
    »Ich denke, das wäre das Beste«, antwortete Opa. »Wenn die Schale von dieser Insel stammt, solltest du sie zurückgeben.«
    Kendra warf die Schale wie eine Frisbeescheibe hinaus aufs Wasser. Fast sofort schnellte eine Hand hoch und ergriff sie.
    »Das ging aber schnell«, meinte Kendra. »Sie wird wahrscheinlich unten bei Mendigo landen.«
    »Die Najaden respektieren die Feenkönigin. Sie werden die Schale dorthin bringen, wo sie hingehört.«
    Kendra betrachtete den Steg.
    »Sie wird dich vielleicht nicht erkennen«, bemerkte Opa.
    »Ich will nur Lebewohl sagen, ob sie es versteht oder nicht.«
    Sie gingen die Holzpromenade entlang, bis sie den Pavillon mit dem Steg erreichten. Kendra ging ans Ende des Stegs. Opa blieb einige Schritte hinter ihr. »Denk daran, du darfst dem Wasser nicht zu nahe kommen.«
    »Ich weiß«, sagte Kendra. Sie beugte sich vor, um in den See zu blicken. Er war viel klarer als bei Nacht. Sie zuckte leicht zusammen, als sie begriff, dass das Gesicht, das zu ihr aufblickte, nicht ihr Spiegelbild war. Die Najade sah aus wie ein Mädchen von etwa sechzehn Jahren, mit vollen Lippen und goldenen Haaren, die ihr Gesicht umspielten.
    »Ich möchte mit Lena sprechen«, sagte Kendra laut und betonte die Worte überdeutlich.
    »Sie wird vielleicht nicht kommen«, gab Opa ihr zu bedenken.
    Die Najade starrte weiter zu ihr hinauf. »Hol Lena, bitte«, wiederholte Kendra. Die Najade schwamm davon. »Sie wird kommen«, sagte Kendra.
    Sie warteten. Niemand kam. Kendra betrachtete das Wasser. Sie legte die Hände wie ein Megaphon um den Mund. »Lena! Hier ist Kendra! Ich möchte mit dir sprechen!«
    Mehrere Minuten verstrichen. Opa wartete geduldig an ihrer Seite. Dann stieg direkt am Ende des Stegs ein Gesicht fast bis zur Oberfläche des Wassers auf. Es war Lena. Ihr Haar war noch immer weiß mit einigen wenigen schwarzen
Strähnen. Sie sah zwar nicht jünger aus, aber ihr Gesicht hatte den gleichen zeitlosen Ausdruck.
    »Lena, hey, ich bin’s, Kendra, erinnerst du dich?«
    Lena lächelte. Ihr Gesicht war kaum zwei Zentimeter von der Oberfläche entfernt.
    »Ich wollte nur auf Wiedersehen sagen. Ich habe die Gespräche mit dir wirklich genossen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wieder eine Najade zu sein. Bist du böse mit mir?«
    Lena bedeutete Kendra, näher zu kommen. Sie legte die Hände um den Mund, als wolle sie ein Geheimnis mit ihr teilen. Ihre mandelförmigen Augen sahen fröhlich und aufgeregt aus. Sie passten nicht zu dem weißen Haar. Kendra beugte sich ein wenig vor.
    »Was?«, fragte sie.
    Lena verdrehte die Augen und bedeutete ihr, noch näher zu kommen. Kendra beugte sich ein wenig weiter herunter, und in demselben Augenblick, in dem Lena nach ihr greifen wollte, zog Opa Sørensen sie zurück.
    »Ich habe dich gewarnt«, sagte Opa. »Sie ist nicht mehr die Frau, die bei uns im Haus gelebt hat.«
    Kendra beugte sich gerade weit genug vor, um abermals über den Rand zu spähen. Lena streckte die Zunge heraus und schwamm davon. »Zumindest leidet sie nicht«, bemerkte Kendra.
    Opa geleitete sie schweigend zurück zu dem Pavillon. »Sie hat mir erzählt, dass sie niemals aus freien Stücken zu ihrem Leben als Najade zurückkehren würde«, sagte Kendra nach einer Weile. »Sie hat es mehr als einmal gesagt.«
    »Ich bin davon überzeugt, dass sie es auch so gemeint hat«, erwiderte Opa. »So wie ich es gesehen habe, ist sie nicht freiwillig mitgegangen.«
    »Mir ging es genauso. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass sie leiden könnte. Ich dachte, wir müssen sie vielleicht retten.«
    »Bist du zufrieden?«, fragte Opa.
    »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie mich erkannt hat«, gestand Kendra. »Zuerst dachte ich, es wäre so, aber ich wette, sie hat nur so getan als ob. Sie hat versucht, mich nahe genug heranzulocken, um mich zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher