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Exit

Exit

Titel: Exit
Autoren: Jonathan Kellerman
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Geburt ihr Bruder im Alter von einem Jahr dem plötzlichen Säuglingstod erlag.«
    »Gibt es noch weitere Geschwister?« fragte ich, während ich Notizheft und Stift zur Hand nahm.
    »Nein. Es schien alles in Ordnung zu sein mit ihr, bis sie drei Monate alt war und ihre Mutter bemerkte, daß sie nicht atmete, als sie nachts einmal nach ihr schaute. Als sie sie nicht wach bekam, führte sie eine Herzmassage durch und holte sie so zurück. Dann brachte sie sie zu uns. Als ich dazukam, schien es ihr gutzugehen, meine Untersuchung erbrachte keinen Befund. Ich nahm sie zur Beobachtung auf und führte alle üblichen Tests durch. Nichts. Nach ihrer Entlassung stellten wir der Familie einen Schlafmonitor und eine Alarmanlage zur Verfügung. In den folgenden Monaten klingelte es ein paarmal, doch es war immer falscher Alarm - das Baby atmete einwandfrei. Die Monitorkurven zeigten Ausschläge, die auf momentanen Atemstillstand hinweisen könnten, doch auch eine Menge Bewegungsartefakte - das Baby schien sich herumzuwälzen. Meine Deutung war, daß es einfach unruhig war - diese Alarmanlagen sind nicht narrensicher -, und den Atemstillstand nahm ich als unerklärlichen Vorfall hin. Trotzdem ließ ich es durch einen Lungenspezialisten untersuchen, wegen der Tragödie mit seinem Bruder. Negativ. So beschlossen wir, es während der Periode des höchsten Risikos für Krippentod im Auge zu behalten.«
    »Das heißt, für ein Jahr, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Ich wollte aber ganz sichergehen, deshalb plante ich für fünfzehn Monate. Wir begannen mit wöchentlichen ambulanten Checks und vergrößerten dann die Abstände, so daß ich nach den ersten neun Monaten bereit war, es bis zur Einjahresuntersuchung in Frieden zu lassen. Zwei Tage später war es wieder in der Aufnahme: nächtliche Atemprobleme - es war keuchend aufgewacht, mit bellendem Stickhusten. Wieder Herzmassage durch die Mutter, bevor es hergebracht wird.«
    »Ist diese Art von Wiederbelebung nicht etwas extrem in einem Fall von Atemnot? Oder war das Baby bewußtlos gewesen?«
    »Nein, zu keinem Zeitpunkt, es hatte nur stark gekeucht. Die Mutter hat vielleicht überreagiert, doch wer sollte ihr daraus einen Vorwurf machen, nachdem sie ihr erstes Kind verloren hatte? Als ich ins Untersuchungszimmer kam, ging es der Kleinen wieder gut: kein Fieber, keine Beschwerden. Das ist nicht überraschend, denn kühle Nachtluft kann Keuchhusten leicht beheben. Ich ließ eine Brustdurchleuchtung und Bluttests durchführen: alles normal. Ich verschrieb Hustensaft, viel Flüssigkeit und Ruhe und wollte sie nach Hause schicken, doch die Mutter bat mich, das Kind hierzubehalten. Sie war überzeugt, daß es etwas Ernstes war. Ich war fast sicher, daß nichts vorlag, doch in letzter Zeit hatten wir einige beunruhigende Fälle von Atemwegerkrankungen gehabt. So nahm ich sie auf und verordnete tägliche Blutuntersuchungen. Die Daten waren normal, doch nach zwei Tagen in der Klinik wurde sie schon hysterisch, wenn sie nur einen weißen Kittel sah. Ich entließ sie und übertrug die wöchentlichen ambulanten Nachuntersuchungen jemand anders, denn sobald ich das Zimmer betrat, fing sie an zu schreien.«
    »Die Freuden des Arztberufs«, bemerkte ich.
    Sie antwortete mit einem traurigen Lächeln und schaute zur Essensausgabe hinüber. »Die machen jetzt zu. Möchtest du irgendwas?«
    »Nein danke.«
    »Ich habe noch nicht gefrühstückt; wenn du nichts dagegen hast…«
    »Aber nein, nur zu.«
    Sie ging schnell zur Theke und kam mit einer halben Grapefruit und einer Tasse Kaffee zurück. Sie trank einen Schluck und zog eine Grimasse.
    »Vielleicht fehlt nur die Dampfmilch«, meinte ich.
    Sie nahm eine Serviette und wischte sich den Mund ab.
    »Nein, diese Brühe ist nicht zu retten.«
    »Wenigstens ist sie umsonst.«
    »Wer sagt das?«
    »Was? Kein Freikaffee mehr für die Ärzte?«
    »Die Zeiten sind vorbei, Alex.«
    »Noch eine Tradition, die dahingeht. Die alte Leier von Einsparungen, oder was ist der Grund?«
    »Natürlich. Kaffee und Tee kosten jetzt neunundvierzig Cent die Tasse. Ich frag mich, wie viele Tassen wir trinken müssen, bis die Kasse wieder stimmt.«
    Sie löffelte aus ihrer Grapefruit. Ich spielte mit meinem Kuli und erinnerte mich: »Ich weiß noch, wie hart ihr damals dafür gekämpft habt, daß auch die Assistenten und Praktikanten ein Recht auf Gratiskaffee bekamen.«
    »Erstaunlich, worüber wir uns damals noch aufgeregt haben.«
    »Sind denn die Geldprobleme jetzt
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