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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho
Autoren: Craig Taylor
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springe hoch, reiße die Knie an die Brust, und als ich wieder lande, spuck ich aus.
    Dann noch mal. Ohne jeden Grund. Es geht los. Unser Team ist bereit.
    Wir verteilen uns, ich laufe an unseren Spielern vorbei – Baki Ozan, unserem ballstarken deutsch-türkischen Innenverteidiger, und an Gilchrist Eyodema, unserem togolesischen Zerstörer im Mittelfeld –, rufe »Auf geht’s, Jungs« und solche Sachen.
    Ich beobachte, wie die Spieler der gegnerischen Mannschaft auf ihre Positionen laufen: Schalke 04.
    Der Bundesliga-Club aus dem Beton-Themenpark Gelsenkirchen.
    Jeder unserer Spieler hat seinen Posten eingenommen. Der Schiri hat die Pfeife im Mund. Die Zuschauer sind völlig aus dem Häuschen. Die Schalke-Fans, die die beschwerliche Reise von der Ruhr auf sich genommen haben, und unsere Anhänger, knallrot von der Sonne, nachdem sie sich tagsüber mit nacktem Oberkörper haben volllaufen lassen. Unsere beiden Stürmer, Bédard und Boro Danzo, unser gambischer Mittelstürmer, drängen sich um den Anstoßpunkt. Ich stehe hinter ihnen, direkt am Kreis, und warte auf den Rückpass.
    Gleich geht’s los.
    Meine Chance, die verdiente Gondel Richtung Fußball-Olymp zu besteigen. Ich mustere Schalkes Spieler, die zwischen mir und dem mir vorbestimmten Schicksal stehen. Ich entdecke ihren Stürmer Raúl, den erfolgreichsten Torjäger der Champions League. Er hat mit Real dreimal den Titel geholt, allerdings nicht hintereinander. Dieser zweitklassige Wichser.
    Drei Titel in Folge, das haben nur drei Teams geschafft.
    Die Bayern. 74, 75, 76.
    Das Team des autoritären und über-peniblen Beckenbauer.
    Das Team des ungepflegten Gerd Müller, des Bombers , der aus jeder Lage getroffen hat.
    Großartige Mannschaft, die Bayern. Und dann wäre da Ajax. 71, 72, 73.
    Mit Leuten wie Gerrie Mühren, Piet Keizer, Arie Haan.
    Und Johan Cruyff.
    Beschäftigen wir uns einen Moment mit Cruyff. Ich mein’s ernst. Macht einen kleinen Spaziergang durch einen »Park« – oder was für eine armselige Anlage eure Stadt euch vor die Tür geklatscht hat. Denkt über Cruyff nach. Ein Mann, der von Nurejew für seine körperliche Anmut bewundert wurde. Ein Mann, der ein so unglaubliches Tor erzielt hat, dass man den Hadronen-Speicherring, einen Teilchenbeschleuniger, konstruiert hat, um zu überprüfen, ob das wirklich passiert ist.
    Cruyff, der Kapitän von Ajax’ Totaler-Fußball-Mannschaft. Bis er sich Richtung Bar ç a verabschiedet hat. Bar ç a, der große Rivale von Real. Und Real ist die dritte Mannschaft, die den Titel dreimal in Folge geholt hat. Nur dass sie sogar fünfmal hintereinander gewonnen haben.
    Real. 56, 57, 58, 59, 60.
    Das Team von Hector Rial. Von Francisco Gento.
    Und Alfredo di Stéfano. Dem blonden Pfeil, der argentinischen Tor-Fabrik, der nicht nur fünfmal hintereinander den Titel geholt, sondern auch in allen fünf Finals einen Treffer erzielt hat. Ehrlich. Und heute Abend werde ich mich in dieselbe Liga wie die Bayern und Ajax katapultieren, indem ich dreimal in Folge den Titel gewinne. Ich werde denselben Weg wie di Stéfano mit Real beschreiten.
    Anstoß. Mein großer Moment ist gekommen. Ab jetzt gilt Kev-Zeit.
    Boro Danzo schlägt den Ball zu mir zurück und ich suche nach einer Anspielstation, doch schon werde ich von ihrem brasilianischen Stürmer Edu gestellt. Schalke hat ihn vor Kurzem aus der K-League von Suwon Samsung Blue Wings geholt.
    Er geht auf mich los. Das übliche Anfangsgeplänkel. Er ist muskulös und hochmotiviert.
    Wir werden uns nichts schenken.
    Ich spiele den Ball seitlich zu Ali el-Masri, unserem ägyptischen Flügelstürmer. Er wird von Hans Sarpei, ihrem rechten Verteidiger, angegriffen, doch el-Masri kann ihm mühelos ausweichen. Die Zuschauer kreischen wie ein flambierter Wasserbüffel, und das Spiel geht weiter.
    Schon ist unser zierlicher – ja, kleiner – Trainer Hakhi Bahta von der Bank aufgesprungen und beschimpft die Luft vor sich. Er rudert mit seinen dünnen Ärmchen wie ein Anfänger bei irgendeiner asymmetrischen Kampfkunst. Ist er aber, soweit ich weiß, nicht. Hakhi ruft mir durch den Lärm der lauen Lissabonner Nacht etwas zu. Aber was sagt er? Ich lausche angestrengt. Scheiße, was zum Henker will er mir mitteilen?
    Bestimmt irgendwelche taktischen Anweisungen. Nicht, dass er Ahnung von Fußball hätte, die eigentliche Arbeit überlässt er seinen Assistenztrainern. Doch man kann ihn nicht einfach in die Wüste schicken, denn er ist der Neffe des Präsidenten. Wie auch
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