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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman
Autoren: Constanze Petery
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Daunenwärme meines Anoraks die Berührung fremder Körper auf meiner Haut.
Und um mich könnten die Menschen sein, die ich beherrscht habe, mit royaler Gütigkeit, mit einem Kopfnicken, einem Fingerzeig, deren Leben nur auf das eine ausgerichtet waren: auf die Nacht mit mir, ihrer Königin. Sie haben mich geliebt.
    Ich verschlucke mich an einem Flockentropfen, der kugelartig auf meinen Gaumen trifft.
    Haben sie mich geliebt? Wo sind sie dann jetzt? Wo sind meine fleißigen Sklaven und Cocktailbringer, wenn ich sie wirklich brauche?
    Bin ich denn ganz allein dem Tageslicht ausgeliefert?
    In fünf Monaten werde ich nicht mehr allein sein. Dann gibt es jemanden, der immer für mich da ist, nachts und tags und immer, immer, immer.
    Wenn ich es nicht wegmachen lasse. Abtreiben lasse.
    Wie ein Eisbär auf einer Scholle in der Arktis gen Horizont. Wie eine einzelne Wolke über die Sonne hinweg ins Nirgendwo. Wie ein Blatt, in einen Bach geworfen von einer Brücke, auf dem Weg in die Verwesung.
    Noch will ich meine Augen nicht öffnen. Die Einsamkeit wird mich umbringen. Sie nimmt mir die Luft.
    Ich kann auch blind gehen.
    Der gefrorene Kies knirscht, die Körnchen trennen sich widerwillig voneinander, die Brücken aus Eis brechen, eine nach der anderen. Mit jeder Bewegung wird die Festigkeit des Bodens zerstört, er verändert sich mit mir, kann meine Gegenwart nicht ignorieren. Der Weg verrutscht ein Stück unter meinen Füßen, nach links und nach rechts, kleine Hügel und Unebenheiten wie Mondkrater formen einen minimalen Aufstand gegen das System des Parks, weigern sich, jeden Besucher auf die gleiche Art und Weise zu empfangen. Man wird den Park nie wieder so sehen, wie ich ihn heute
vorgefunden habe. Ich habe ihn geprägt, ein Stück von mir liegt jetzt hier und hier und hier, mit jedem Schritt wird er mehr zu meinem Werk denn zu dem des Gartenarchitekten oder der Gartenbehörde, denen er doch in allen Akten zugeschrieben wird. Offizielle Angaben trügen, lügen. Die Welt kann niemandem gehören. Sie lebt von denen, die sie täglich weiterleben lassen, sie erneuern.
    Der Klang meines Schritts ist plötzlich anders. Ich muss vom Weg abgekommen sein.
    Meine Stiefel durchbrechen die gläserne Schicht, sacken durch die Federdecke, bis sich genug Materie angesammelt hat, um mein Gewicht zu tragen. Ich stehe auf Schnee. Die Schicht kann noch unendlich tiefer gehen, vielleicht bis zum Erdinneren, kilometerweise gleißende Kristalle wie die Spiegelkreationen in dem Versailles einer Eiskönigin der Unterwelt. Der Gipfel des Eisberges.
    Wenn ich mein Bein ausstrecke, kann es entweder wieder heil auf den Pfad treffen, mich tief in einen Schneehaufen ziehen oder auch direkt in die Tiefe, in die Hölle unter der Stadt. Ich wusste immer, dass der Park der Ort ist, an dem die Dimensionen sich überlagern.
    Sogar hier höre ich die Hauptstraße noch. Ein Auto jagt das nächste. Es sind Manager, Minister und Mütter, die aus ihren Bürozellen in ihre Blechdosen steigen und in dicht gedrängte Bistros rasen, dort ein halbes Clubsandwich anbeißen und ein Sortiment aus Nahrungsergänzungspillen mit schwarzem Kaffee hinunterspülen. Immer mit dem Gedanken an das nächste Projekt, den nächsten Vertragsabschluss, den nächsten Kunden, das nächste Wochenende. Schnell, nur immer schnell, dann kann man die Zukunft möglicherweise erreichen und genügend Zeit übrig haben, um sie auch zu genießen. Pass auf, sonst musst du den nächsten
Tag doch wieder wie den heutigen leben. Sonst kommst du aus der Gegenwart nicht mehr heraus.
    Deshalb also rasen sie, mit allen Mitteln, motorisiert und frisiert, das Stadtbild begradigt wie damals die Flüsse. Die Ampeln stehlen die Minuten, die dir gehören, verteidige dein Eigentum und fahr über Rot, auch wenn du damit einem anderen die Vorfahrt oder das Leben nehmen könntest, denk nicht daran, sondern fahr, fahr zu.
    Ich kann von hier aus nicht mehr die einzelnen Fahrzeuge ausmachen, nur die Masse, die wie eine ewige Welle weiterrollt, ohne sich zu brechen, aber immer mit der Sorge, was wohl geschieht, wenn ihr etwas im Weg steht, wenn irgendetwas den Schaum an der Spitze auf den Grund schlagen lässt.
    Ich will nicht blind von der Woge überrascht werden, will sehen, wie ich von ihr verschlungen werde und im Strudel von mechanischen und menschlichen Ersatzteilen untergehe.
    Mit geöffneten Augen höre ich nicht so gut. Die Autos sind weit entfernt, weiter, als es eben noch den Anschein hatte.
    Die
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