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Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Titel: Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Autoren: Emily Kay
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ich nicht wirklich einen erholsamen Schlaf gehabt hatte. Ich fühlte mich wie gerädert.
    Wie jeden Morgen hörte ich das fordernde Kratzen von zehn Krallen an der Türe. Ich öffnete sie und schon flitzte Scotty, mein übergewichtiger Kater, an mir vorbei, sprang mit einem Satz in mein warmes Bett und ließ sich genüsslich nieder. Verzückt schnurrend schaute er zu mir und erwartete seine morgendlichen Streicheleinheiten.
    »Nein Scotty. Heute geht’s nicht. Ich bin spät dran. Wenn ich mich nicht beeile, fährt Nik ohne mich zur Schule.«
    Schnell zog ich ein Paar Socken, den grünen Pulli und eine Jeans aus dem Kleiderschrank und beeilte mich, ins Bad zu kommen.
    Mit einem Blick in den Spiegel stellte ich fest, dass ich mich nicht nur miserabel fühlte, ich sah auch so aus. Mein Gesicht war übersät mit roten Hektikflecken, die mir ein wildes Aussehen verliehen.
    Nach der Katzenwäsche entschied ich mich, etwas Make-up aufzutragen, was sonst nicht zu meinen morgendlichen Vorbereitungen für die Schule zählte. Ich war eher der natürliche Typ, aber diese roten Flecken waren entschieden zu viel Natur.
    Als ich meine Schulsachen aus meinem Zimmer holte, lag Scotty laut schnarchend in meinem Bett. Er öffnete ein Auge, schaute herüber, um dann im nächsten Augenblick seinen Schlaf fortzusetzen.
    »Na, dir geht’s gut«, murmelte ich und verließ mein Zimmer. Ich stapfte die Holztreppen zur Küche hinunter. In der Diele hörte ich das leise Ticken der antiken Bodenstanduhr, die meine Mutter auf einer Auktion erstanden hatte. Alles war wie immer und ich brauchte mich wegen eines Traumes nicht verrückt machen, redete ich mir ein. Aber ganz daran glauben konnte ich nicht.
    Mein Bruder Nik zappelte auf seinem Stuhl hin und her und schob sich ein Schinkenbrot zusammengeklappt mit einem Rutsch in den Mund.
    »Heinz-Niklas! Wie alt bist du eigentlich? Aus dem Alter solltest du langsam heraus sein«, stöhnte meine Mutter und zog die Augenbrauen ärgerlich zusammen.
    »Grrrmmmpf«, grunzte Nik und gestikulierte wild mit den Händen.
    »Guten Morgen Maria-Helene. Du bist heute spät dran, Schatz.« Während ich mich an den großen Holztisch setzte, schob mir meine Mutter bereits eine Tasse mit heißem Kaffee herüber. Die große Wohnküche war der Ort in unserem Haus, an dem meine Familie regelmäßig zusammentraf. Gemeinsame Mahlzeiten standen bei meinen Eltern hoch im Kurs.
    Mein Vater studierte den wirtschaftlichen Teil des Eiderstedter Anzeiger und schien von alledem nichts mitzubekommen. Den Regionalteil hatte er auf den Tisch gelegt.
    »Rätselhafte Wunden bei Gardinger Kuhherde«, las ich.
    »So Kinder ich muss los. Professor Siebert und ich haben um neun Uhr eine Online-Konferenz mit München.« Mein Vater griff nach seiner Aktentasche, klemmte die Zeitung unter den Arm, warf sich seinen Mantel über und drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Stirn.
    Er arbeitete als Physiker im Institut für Raumfahrttechnik in unserem Ort. Die Kleinstadt Neuburg mit 6500 Einwohnern lag eingebettet in eine hellgrüne Ebene, unweit von Sankt Peter-Ording in Nordfriesland. Nicht gerade ein spannender Ort für 18-jährige Teenager.
    »Warte Dad, ich gehe mit dir raus!« Nik sprang auf und rannte meinem Vater hinterher, obwohl er für mich brüllte:
    »Ich hole
Sid
schon mal aus der Garage, Mae!«
    »Ist gut, ich trink nur noch den Kaffee aus. In drei Minuten bin ich draußen!«, rief ich ihm hinterher.
    Wenig später verließ ich mit einem Butterbrot in der rechten und meiner Schultasche in der linken Hand unser Haus. Mein Bruder Nik wartete in seinem Auto und ich hörte schon von weitem den Bass, der die Fensterscheiben des roten Mustangs erbeben ließ. In diesem Moment stellte ich mir zum hunderttausendsten Male die Frage, ob das wirklich mein Zwillingsbruder war, oder ob im Krankenhaus eventuell eine Verwechslung stattgefunden hatte, und ob meinen wahren Zwillingsbruder die gleichen Zweifelüberkamen, wenn er seine angebliche Zwillingsschwester ansah. Als Zwillinge gingen wir absolut nicht durch.
    Meine Mutter sagte immer: »Das liegt daran, dass ihr nicht eineiig seid.« Und Opa Heinz zeigte uns Bilder, auf denen er als 18jähriger Teenager abgebildet war. Nik sah ihm zum Verwechseln ähnlich. Er war auch ein großer, schlanker und athletischer Typ mit störrischem braunem Haar, welches zu allen Seiten abstand, und kastanienbraunen Augen gewesen.
    Unsere Doppelnamen hatten wir unseren Großeltern zu verdanken. Mein Bruder
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