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Es duftet nach Liebe (German Edition)

Es duftet nach Liebe (German Edition)

Titel: Es duftet nach Liebe (German Edition)
Autoren: Nathan Jaeger , Chris P. Rolls , Karo Stein , Ashan Delon , Malin Wolf , Nico Morleen , Isabel Shtar , Moos Rose , Karolina Peli , Caitlin Daray
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unschuldig?“, hält er den Finger in die Wunde.
    Ich senke ertappt den Blick. „Natürlich nicht“, flüstere ich. Ich richte mich wieder auf. „Machst du es deshalb? Diesen Hippie-Kram?“
    „Ich brauchte irgendwas! Ich musste fort! Meine Eltern haben mich auch gestrichen, wenn auch nicht umgebracht. Toll, was? Ich komme aus Kleinspießerhausen. Es gab nichts mehr. Ich habe mir von dem, was ich hatte, ein Ticket gekauft für den ersten Flug irgendwohin. Jetzt bin ich hier!“, stößt er hervor. „Ich wusste nicht was, das Einzige, das mir eingefallen ist, war das hier! Was soll ich denn sonst tun! Love, Peace, Happiness!“ Er senkt den Kopf, atmet ein paar Mal tief durch, dann beginnt er, unterdrückt zu schluchzen. „Ich bin so erbärmlich!”, schnieft er. „Tut mir leid!”
    „Nein!”, erwidere ich schwungvoll. „Bist du nicht! Bist du wirklich nicht!“
    „Oh doch!“, beharrt er und schnäuzt ungeniert in seine Stoffserviette. „Oh doch! Ich bin davongelaufen. Versuche etwas zu sein, das ich nicht bin, aber immerhin … etwas?“
    Ich verstehe ihn. Ich verstehe sonst niemanden, und es interessiert mich auch nicht. Ich stehe auf, umrunde den Tisch und lege eine Hand auf seinen Nacken, fahre durch sein zerzaustes Haar, die Gefahr in Kauf nehmend, mir Wanzen und Flöhe einzufangen. Ist mir gerade nach, und wenn ich etwas will, dann tue ich es auch.
    „Willst du etwa ficken? Geht’s darum?“, gluckst er geplagt.
    „Ich will trösten!“, behaupte ich, obwohl ein zu ignorierender Teil in mir Sex will, wenn man mich das so direkt fragt. Das war immer schon so seit der Pubertät, wenn etwas halbwegs Leckeres in Sichtweite gekommen ist. Ich unterdrücke es gekonnt.
    „Wer tröstet dann dich?“, fragt er und sieht zu mir auf.
    „Ich weiß es nicht. Die Blume da? Niemand“, erwidere ich aufrichtig. Das hier mit ihm ist eine andere Welt, vielleicht weil er von so weit unten kommt. Hier lüge ich nicht, hier schmiede ich keine Intrigen. Hier, an diesem Ort, an diesem Morgen, kann ich wahrhaftig ich sein bei diesem aufgegabelten Schiffbrüchigen. Vielleicht habe ich einfach nur den Verstand verloren. Darauf deutet auch einiges hin.
    Seine Hand fasst nach meiner Schulter. Jetzt bin ich vermutlich auch dreckig. Egal. „Das ist nicht recht! Du bist echt nett zu mir, auch wenn ich mich vielleicht nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe!“, behauptet er. Eigentlich habe ich nicht viel getan. Vermutlich war einfach seit langer Zeit niemand mehr halbwegs freundlich zu ihm, dass er mich so sieht.
    „Das ist doch Quatsch! Ich wollte doch Gesellschaft! Ich bereue es nicht, auch wenn unser Tischgespräch eher deprimierend ist. Otto, wie alt bist du?“, frage ich ihn und mache es mir leidlich auf meinem Stuhl bequem.
    „Siebenundzwanzig“, antwortet er mit noch immer belegter Stimme.
    „Was hast du denn gemacht, bevor das Schicksal zugeschlagen hat?“, fahre ich fort.
    „Ich habe BWL studiert. War gerade fertig, bin aber nie dazu gekommen, mir einen Job zu suchen, weil es dann passiert ist“, beichtet er mir.
    „Das habe ich auch studiert!“, lächle ich ihn an.
    „So siehst du auch aus“, grient er verhalten und zieht schwungvoll die Nase hoch. Er fängt sich allmählich wieder. „Ich vermutlich gerade weniger.“
    „Wohl wahr“, gebe ich ihm recht. „Warst du gut?“, frage ich ihn pragmatisch.
    „Ja, war aber eher der Theoretiker. Man hat mir sogar angeboten zu promovieren. Ich konnte nicht. Ich konnte nur noch rennen. Das hat trotz all der Arbeit, der Pläne, die ich hatte, plötzlich gar nichts mehr bedeutet. Tja, und jetzt bin ich hier, versuche mich im Hippie-Dasein und fresse deinen Serrano-Schinken wie ein Besessener“, schließt er.
    „Das ist echt kein Ding“, meine ich wahrheitsgemäß. „Hau bloß rein!“
    „Habe ich bereits. Der ist Geschichte“, weist er mich hin.
    Ich sehe ihn an, diesen getriebenen Menschen, und fühle mich sehr seltsam. Sicherlich könnte er mir Lügengeschichten aufgetischt haben, da wäre er nicht der Erste. Im Augenblick glaube ich ihm aber. Das liegt eventuell wirklich an meinen Urlaubs-Hormonen, falls es die gibt. Auf Reisen sind wir alle doch immer ein bisschen anders als im heimischen Alltagstrott, oder? Da kann selbst ich mal Mitleid mit einem auf den Hund gekommenen Deutschen haben. Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann könnte ich das auch sein. Was wäre aus mir geworden, wenn Cedric damals gestorben wäre? Wie hätte ich weiterleben
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